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Shanera (German Edition)

Shanera (German Edition)

Titel: Shanera (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Schön
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faszinierte sie. Wenn jeder dieser Punkte eine entfernte Sonne war, gab es dann in seiner Nähe auch eine Welt wie die ihre? Und saß dort vielleicht jemand im Gras und schaute auf ihre Sonne, sich fragend, was das wohl sei? Das war so unglaublich, dass es schwindlig machte, diesen Gedanken nur zu denken. Aber irgendwie hoffte sie, dass es tatsächlich so war. Denn auf ihrer eigenen Welt war sie einsam. Der Gedanke, dass es andere, vielleicht bessere Welten gab, war tröstlich. Im Moment vermisste sie sogar das alberne abendliche Gerede ihrer Mitbewohnerinnen in der Gemeinschaftskuppel.
    Mit einem Gefühl der Trauer über alles, was sie verloren hatte, wickelte sie sich in ihre Decke. Sie sandte ihr Abendgebet zu den Göttern und kuschelte sich ein, so gut es ging. Obwohl ihre Gedanken unruhig waren, forderte die Erschöpfung doch bald ihren Preis und sie schlief ein, hinüber gleitend in ein Land seltsamer Träume.
    *

Tag 3
    Die Dämmerung weckte Shanera aus einem unruhigen Schlaf und bald war sie wieder unterwegs. Von ihren Verfolgern war nichts zu sehen und sie beschloss, ein etwas langsameres Tempo einzuschlagen. Es waren jetzt ältere Spuren von Grasriesen zu sehen, großen, grasfressenden Herdentieren, denen man besser aus dem Weg ging. Sie konnte nur hoffen, nicht direkt auf eine Herde zu treffen, denn das würde sie zu größeren Umwegen zwingen.
    Mit dem dann am späten Vormittag tatsächlich auftauchenden Hindernis hatte sie allerdings nicht gerechnet. Der Boden begann sich abzusenken und plötzlich war das Gras zu Ende. Vor ihr war Wasser! Nicht eines dieser kleinen Rinnsale, sondern ein breiter Strom Wasser, der sich durch die Grasebene schlängelte.
    Shanera hatte noch nie einen Fluss gesehen. Sie hatte zwar darüber gehört und gelesen, aber keine konkrete Vorstellung davon gehabt. Die Wellen glitzerten in der Sonne und die ganze Wasserfläche hatte eine Farbe, die ihr so noch nie begegnet war.
    Vor allem war ihr völlig unklar, wie sie auf die andere Seite dieses Wassers gelangen sollte. Auch wenn sie in den Badehöhlen des Dorfes schon mal ein paar Züge geschwommen war, dies war etwas ganz anderes, noch dazu mit Gepäck.
    Sie ging ans Ufer und watete ein Stück in die kalten Wellen, aber es wurde sehr schnell tiefer. Es gab eine starke Strömung und ihr war klar, dass sie so nicht auf die andere Seite gehen konnte. Sie benötigte eine Brücke, aber sie hatte nichts von einer solchen in der Gegend gehört. Die Jagdgruppen drangen meistens nicht sehr weit vor. Sie konnte flussaufwärts oder flussabwärts gehen, wobei letztere Wahl die Gefahr barg, dass sie an der großen Kante in der Falle saß, wenn sie bis dahin keinen Übergang gefunden hatte. Sie wandte sich also nach rechts, entgegen dem Strom des Wassers.
    Das Glück war ihr jedoch nicht gewogen. Nachdem sie zwei Sandläufe lang gegangen war, hatte sich immer noch keine Möglichkeit gezeigt, den Fluss zu überqueren. Stattdessen waren die Spuren von Grasriesen immer mehr geworden und jetzt glaubte sie, den ersten gehört zu haben, ein entferntes Röhren. Das Land war inzwischen leicht wellig und die Sicht reichte nicht mehr ganz so weit, von ihrem Standpunkt aus konnte sie jedenfalls keine Tiere erkennen. Vorsichtig ging sie weiter, immer auf der Hut, um keinen eventuell einzeln herumstreunenden Grasriesen zu überraschen.
    Ein paar Bodenwellen weiter war es dann soweit: Ein gutes Stück vor sich konnte sie eine große Herde sehen. Es mussten viele hundert der wuchtigen, graubraun gemusterten Tiere mit ihren Ehrfurcht gebietenden Hörnern sein, grasend und am Flussufer trinkend. Sie erkannte auch einige Tiere am anderen Ufer und gerade jetzt machte sich eines von ihrer Seite aus auf den Weg, den Fluss zu durchqueren. Sie beobachtete es genau. Der Strom war hier einigermaßen seicht, und wenn sie auch kleiner als ein Grasriese war, so schien es doch möglich, hier ans andere Ufer zu gelangen.
    Allerdings erst, wenn die Herde weitergezogen war. Und das konnte, selbst wenn sie Glück hatte, noch einige Sandläufe dauern. Wenn sie nicht umkehren wollte, gab es zwei Möglichkeiten: hier zu warten oder zu versuchen, die Herde zu umgehen, was allerdings auch beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen würde. Vielleicht war dies auch der einzige Übergang in der Nähe, möglich war es durchaus. Das Gelände wurde nach Norden hin hügeliger, was nach ihrer Meinung gegen weitere Furten sprach, und auf eine Brücke wollte sie nicht mehr hoffen. Das würde

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