Shanera (German Edition)
aufgebaut.
Shanera schien ein weiterer Ausbruchsversuch plötzlich nicht mehr so angebracht. Sie drückte sich an die Wand und grinste verlegen.
„Äh, hallo. Tut mir leid wegen der Nase. Vielleicht sollten wir uns doch besser irgendwie verständigen …?“
Die beiden starrten sie wütend an, doch dann geschah etwas unerwartetes. Eine neue Stimme ertönte und murmelte leise einige Sätze in der fremden Sprache. Es schien aus der Richtung des Mannes zu kommen, aber wer da gesprochen hatte, blieb Shanera ein Rätsel. Auch das Gesagte war ihr wieder unverständlich, doch konnten die beiden Fremden offenbar mehr damit anfangen und runzelten die Stirn, bevor sie Shanera nochmals misstrauisch musterten.
Der Mann knurrte etwas in ihre Richtung, und die jetzt etwas lautere Stimme sagte: „Bist Du eine Kintari?“
Shaneras Augen weiteten sich. „Na ja, ich bin, … Ja.“ Die Stimme murmelte wieder. „Wer spricht da?“, setzte sie nach.
„Das brauchst Du nicht zu wissen.“, meldete die Stimme, offenbar den Äußerungen des Mannes folgend, und dann: „Was machst Du hier? Wie bist Du hier hergekommen?“
Nun warf auch die Frau etwas ein: „Warum hast Du mich angegriffen? Bist Du verrückt?“ Sie betastete vorsichtig ihre Nase.
„Was? Nein! Ich … Ihr habt mich verfolgt. Was sollte ich tun? Ich habe gedacht, dass Ihr – Ihr wolltet mich angreifen!“
Der Mann stieß ein kurzes Lachen aus, das nicht sehr belustigt klang. „Du gehörst offensichtlich nicht hierher. Wir wollten wissen, was Du hier zu suchen hast. Aber Du bist geflohen, und das führt uns zu der Vermutung, dass Du etwas zu verbergen hast. Was tust Du hier?“
„Ich suche jemanden.“, entgegnete Shanera nach kurzem Zögern. „Aber warum habt Ihr mich nicht gleich gerufen? Warum seid Ihr auf mich zu und hinter mir her gerannt, als wolltet Ihr mich zu Kleinholz verarbeiten?“ Bevor die murmelnde Übersetzungsstimme fertig war, setzt sie hinzu: „Wäre es möglich, dass Ihr auch nicht von hier seid?“
Jetzt war es die Frau, die auflachte. „Die Kleine ist nicht nur rauflustig, sondern auch gar nicht dumm.“ Sie wischte sich Blut von der Oberlippe. „Du hast Glück, dass die Nase nicht gebrochen ist, sonst würde ich Dir auch mal zeigen, wie sich das anfühlt.“
Shanera hielt unwillkürlich die Hand schützend vor die eigene Nase. Auf diese Erfahrung würde sie lieber verzichten. „Entschuldigung.“, brachte sie hervor, und, weil das etwas lahm klang, „Es tut mir leid.“. Sie kreuzte die Hände vor der Brust und verbeugte sich.
Die Frau musterte sie kritisch von Kopf bis Fuß und ließ sich Zeit dabei. Shanera wurde es zusehends unbehaglicher zumute.
„Du siehst mir nicht gerade wie eine Kriegerin aus.“ Die Fremde schnaubte. „Ich muss wohl in Zukunft besser aufpassen. Also, wenn Du so etwas nicht noch mal versuchst, dann will ich nicht nachtragend sein.“ Sie streckte beide Hände mit den Handflächen voran zu Shanera. „Ich bin Kessy.“
Die Kintari staunte. Auch wenn es in ihrem Volk üblich war, Streitigkeiten friedlich beizulegen, hätte sie gegenüber einer Person, die ihr beinahe die Nase gebrochen hätte, kaum so schnell Nachsicht gezeigt. Offenbar war es mit ihrer eigenen Friedfertigkeit nicht so weit her, wie sie bisher angenommen hatte.
„Ich bin Shanera.“, antwortete sie, als sie sich gefasst hatte. Nach kurzem Zögern streckte sie ihre Hände ebenfalls aus und berührte vorsichtig die Handflächen ihrer vormaligen Gegnerin, während sie ihr in die Augen sah, nicht ganz ohne Misstrauen.
Für Kessy schien die Sache aber erledigt zu sein. Sie presste ihre Hände kurz gegen Shaneras, grinste auf einem Mundwinkel und drehte sich dann um. Sie winkte der dritten Person, die noch auf der Brücke stand, herunterzukommen.
„Du suchst also jemanden. Und deshalb bist Du von der Großen Wand bis hierher gekommen?“, fragte der Mann.
„Ihr kennt die Große Wand?“, wunderte sich Shanera. Immerhin waren sie hier schon sehr weit weg davon, zumindest nach ihren Maßstäben.
„Natürlich.“ Andere Völker waren anscheinend nicht so ignorant wie die Kintari. Und offenbar war es schon aus ihrer Sprache ersichtlich, dass sie nur in der Großen Wand leben konnte. Na ja, vielleicht spielten die Tätowierungen auch eine Rolle.
„Warum sollte ich Euch trauen? Ihr könntet mit den Flussleuten zusammenarbeiten.“
Der Mann wusste offenbar, von wem die Rede war. Er verzog spöttisch das Gesicht. „Das würden wir
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