Shanghai Love Story
aufschlieÃen hörte, legte sie den Stift zur Seite. Sie stand auf und streckte sich. Sie war nicht in der Stimmung, sich mit der Aiyi in der unbeholfenen, improvisierten Zeichensprache zu unterhalten. Anna legte das Tagebuch auf den Nachttisch und zog sich an.
Als sie die Aiyi in der Küche hantieren hörte, schlüpfte sie aus der Tür und ging zum Fuxing-Park.
In diesem Jahr waren Jojos bei den Schulkindern in Shanghai die groÃe Mode. Eine Gruppe Zehnjähriger mit roten Gesichtern und roten Schals standen im Kreis. Das Haar klebte ihnen schweiÃnass an der Stirn, während sie ihre Tricks übten. Es waren dicke Kinder, die an Bewegungsmangel litten und zu viel aÃen, verwöhnte Jungen ohne Geschwister, die ihnen die Aufmerksamkeit der liebevollen Eltern, GroÃeltern, Onkeln und Tanten streitig machen konnten. Einer verharrte mit seinem Jojo mitten in der Bewegung und grunzte zu seinem Freund: » Wai guo ren !« Sein Freund schaute auf.
Als Anna sich näherte, stellten sich die Jungen in einer Reihe auf und fielen in einen dumpfen, düsteren Sprechgesang: » Wai guo ren! Wai guo ren! Wai guo ren! «
Ermutigt durch Annas Stirnrunzeln und mit der Erregung, den Rückhalt der Gruppe zu genieÃen, wurden die Jungen lauter: » Wai guo ren! Wai guo ren! «
Anna ging an ihnen vorbei und die Jungen schlossen sich ihr an. Zehnjährige Jungen, die aus Spaà Grillen die Beine ausrissen. Zehnjährige Jungen mit gemeinem Gelächter. Hinter ihr wurde der Sprechgesang immer lauter: » Wai guo ren! Wai guo ren! Wai guo ren! «
Sie ging schneller und tat so, als hörte sie nichts.
Den Park und die Jungen hinter sich lassend, bog sie in eine StraÃe ein, die sie nicht kannte. Es war eine SeitenstraÃe und ruhig im Vergleich zu dem Verkehrslärm auf der Huai Hai Lu. Vor einem Eckladen blieb sie stehen, und eine Prozession neugieriger Passanten versammelte sich um sie und drängte sich vor, um zu sehen, was sie kaufen würde. Verlegen und zögernd stand der Ladenbesitzer von dem Stuhl vor dem Fernsehapparat auf. Er rief seine Frau herbei. Anna versuchte es mit den paar Brocken Chinesisch, die ihr die Aiyi beigebracht hatte.
» Wo yao mai â¦Â«, begann sie, aber sie kannte das Wort für »Trauben« nicht, und so deutete sie auf die kleinen grünen Früchte, die vor ihr hingen. Die Leute hinter ihr grölten vor Gelächter.
» Wo yao mai ⦠wo yao mai ⦠«, äfften sie Anna nach. »Sie will Trauben kaufen!«, schrien sie den Passanten zu. »Die Ausländerin will Trauben kaufen!«
Der Ladenbesitzer schob ihr die Trauben zu, und Anna hielt ihm ihre Geldbörse hin, damit er sich das Geld herausnehmen konnte. Eine zahnlose alte Frau schob sich durch die Menge hinter Anna, stieà die Hand des Ladenbesitzers weg und nahm ein paar Münzen aus Annas Geldbörse, die sie ihm dann reichte. Er brummte der alten Frau etwas zu, aber sie erwiderte ein paar scharfe Worte und deutete mit einem braunen Fingernagel auf ein Schild neben den Trauben.
»Danke«, sagte Anna und lächelte die alte Frau an. Sie warf sich eine Traube in den Mund. Die Augen der alten Frau blitzten auf und sie kreischte etwas, schüttelte Kopf und Hände gleichzeitig. Anna spuckte die Traube wieder aus. Die Frau nahm Anna die Trauben aus der Hand und pflückte eine einzelne Beere ab. Methodisch schälte sie mit ihren fleckigen braunen Fingern die Haut ab und schob, als sie fertig war, die nackte, glänzende Frucht in Annas Mund. Die Leute hinter ihr schnalzten immer noch missbilligend mit den Zungen und schüttelten ob der ungeschälten Trauben die Köpfe. Anna aÃ, was von der Traube übrig war, bedankte sich noch einmal bei der alten Frau und steckte den Rest der Früchte in ihre Tasche. Sie drehte sich um und wollte weitergehen, aber die Wand aus Menschen, die sie umgab, war solide. Nur zögerlich rückten sie ein wenig zur Seite, um Anna vorbeizulassen.
Im Apartment saà ihr Vater am Tisch und las, umgeben von dem schmutzigen Frühstücksgeschirr.
»Hallo«, sagte er kühl und blickte sie über den Rand seiner Brille hinweg an. »Wo warst du?« Er zog einen Stuhl für Anna herbei.
»Hat die Aiyi heute nicht aufgeräumt?«, fragte Anna und stellte das Geschirr zusammen. Sie brachte es in die Küche und lieà Wasser in die Spüle laufen. Ihr Vater folgte ihr.
»Ich habe sie
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