Shannara III
und Schlingpflanzen, das in Nebelfetzen gehüllt lag, und das Ansteigen und Absinken des hier verwurzelten Lebens, das in beständigem Rhythmus zischend atmete. Im wüsten Innern dieser Hölle ließ sich kein anderes Leben erkennen.
Doch irgendwo in diesem Gewirr lag der Ildatch verborgen.
Wie sollte sie ihn finden?
Sie stand zwei Dutzend Stufen vom unteren Ende des Croagh entfernt, und der Maelmord schwoll rings um sie her sanft an. Sie ließ verwirrt den Blick darüber schweifen, kämpfte Ekel und Angst nieder, die sie durchfluteten, und versuchte verzweifelt, ruhig zu bleiben. Sie wußte, daß sie jetzt das Wünschlied anstimmen mußte, hatte Allanon ihr doch zugesichert, daß sie es konnte. Die Bäume, Sträucher und Ranken dieses Urwalds ähnelten den ineinander verschlungenen Bäumen droben am Regenbogensee. Sie konnte das Wünschlied einsetzen, um sie zu teilen. Damit ließe sich ein Durchgang schaffen.
Aber in welche Richtung sollte dieser Weg führen?
Sie zögerte. Etwas in ihr mahnte zur Vorsicht, daß die Macht des Wünschliedes diesmal auf andere Weise angewendet werden müßte, daß Kraft allein nicht genügen würde. Der Maelmord war zu ausgedehnt, zu übermächtig, um sich auf diese Weise bewältigen zu lassen. Hier mußten List und Schlauheit benutzt werden. Dieses Ding war lediglich eine Ausgeburt der gleichen Magie, über die sie verfügte, die alle Zeitalter von der Feenwelt her überdauert hatte und aus einer Zeit stammte, da Zauberei die einzige Macht darstellte…
Sie brach den Gedanken ab und blickte wieder zum Himmel hinauf. Der Sonnenschein wärmte ihr Gesicht auf ganz andere Weise als die Hitze der Grube. In seiner Wärme und Helligkeit lag Leben. Er lockte sie mit solcher zielstrebigen Kraft, daß sie einen Augenblick lang das unerklärliche und kaum zügelbare Bedürfnis empfand, zurückzulaufen.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden und wieder auf die dampfenden Tiefen des Urwalds zu richten. Noch immer zögerte sie, weiter hinabzusteigen. Der Weg lag noch nicht klar und sicher vor ihr. Sie konnte sich nicht blindlings in den Rachen dieses Dings stürzen. Zuerst mußte sie herausfinden, wohin sie ginge und wo der Ildatch versteckt lag. Ihr dunkelhäutiges Gesicht spannte sich. Sie mußte dieses Ding verstehen. Sie mußte in es hineinschauen.
Die Worte des Finsterweihers klangen ihr höhnisch im Ohr, ein Flüstern, das sie aus den Tiefen ihrer Erinnerung boshaft foppte: Sieh hinein, Brin von Shannara. Siehst du?
Und plötzlich und voller Schreck begriff sie alles. Es war ihr im Schiefertal mitgeteilt worden, doch sie hatte es nicht verstanden. Retterin und Zerstörerin hatte Brimen sie genannt, der aus den Tiefen des Hadeshorns aufgefahren war, Allanon zu rufen. Nicht im Maelmord mußte sie nach den Antworten suchen - nicht in diesem Höllenschlund.
In sich selbst mußte sie danach forschen!
Daraufhin straffte sie die Schultern, ihr dunkelhäutiges Gesicht wirkte wild entschlossen angesichts der Gewißheit dessen, was sie nun wußte. Wie leicht sollte es für sie sein, den Maelmord zu betreten und zu finden, was sie suchte! Es bestand keine Notwendigkeit, sich einen Weg in dieses Wesen zu erkämpfen, das den Ildatch bewachte - es war nicht einmal nötig, den Ildatch zu suchen. Es würde kein Ringen werden, kein Widerstreit verschiedener Zauberkräfte.
Vielmehr wäre es eine Vereinigung!
Sie trat die letzten Stufen des Croagh hinab, bis sie schließlich an seinem Ende stand. Plötzlich schien sich über ihr das Dach des Dschungels zu schließen, sperrte das Sonnenlicht aus und hüllte sie in Schatten, Hitze und unerträglichen Gestank. Doch es störte sie nicht mehr, hier zu sein. Sie wußte jetzt, was sie zu tun hatte, alles andere war unwichtig.
Leise sang sie. Das Wünschlied entrollte sich leise, hart und begierig. Die Melodie überströmte das dichte Gewirr von Ästen, Ranken und üppigem Gestrüpp. Sie streichelte und liebkoste mit geschickten Berührungen und umhüllte und umarmte dann liebevoll und beruhigend. Nimm mich auf, Maelmord, flüsterte es. Nimm mich in dich auf, denn ich bin wie du. Zwischen uns gibt es keine Unterschiede der Art. Wir sind uns gleich, wenn unsere Zauberkräfte vereinigt sind. Wir sind eins.
Die Worte, die aus der Melodie klangen, hätten ihr Entsetzen hervorrufen müssen, doch sie waren seltsam wohltuend. War das Wünschlied ihr einst als großartiges Spielzeug erschienen, mit dem sie sich vergnügen konnte - ein Spielzeug, um mit Farbe, Form
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