Shannara III
nicht begreifen konnten. Er hatte Erfahrungen gesammelt.
Trotzdem war er nun hier. Warum?
Spinkser wankte vom Feuer mit einem Teller Eintopf in der Hand herbei und hockte sich neben ihn. Der Gnom nahm ihm den Knebel heraus, damit er den Mund frei hatte, und begann ihn zu füttern.
»Schmeckt nicht allzu übel, wie?« Die dunklen Augen beobachteten ihn.
»Nein - schmeckt gut.«
»Du kannst noch mehr haben, wenn du willst.« Spinkser rührte abwesend durch den Eintopf auf dem Teller. »Wie geht es dir?«
Jair sah ihm geradewegs in die Augen. »Mir tut alles weh.«
»Die Füße?«
»Die besonders.«
Der Gnom stellte den Eintopf auf den Boden. »Komm, laß mich mal sehen.«
Er zog dem Talbewohner Stiefel und Socken aus, begutachtete die blasigen Füße und schüttelte bedächtig den Kopf. Dann griff er in seinen Rucksack und zog eine kleine Dose heraus. Er schraubte den Deckel auf, tauchte die Finger hinein und brachte eine rötliche Salbe zum Vorschein. Langsam machte er sich daran, sie in die offenen Wunden zu reiben. Die Salbe kühlte und linderte die Schmerzen.
»Damit dürfte es nicht mehr so sehr brennen, und es härtet die Haut fürs Gehen«, erklärte er. Er strich noch etwas auf, schaute kurz hoch, wobei ein trauriges Lächeln seine derben, gelben Züge in Falten legte, dann wandte er den Blick wieder nach unten. »Du bist ein ganz schön zäher Brocken, was?«
Jair sagte nichts dazu. Er sah dem Gnomen zu, wie er die Salbe fertig einmassierte, und beendete sein Mahl. Er war hungrig und verzehrte zwei volle Teller von dem Eintopf.
»Nimm einen Schluck hiervon.« Spinkser hielt ihm die Bierflasche an die Lippen, als er gegessen hatte. Er nahm ein paar Züge und schnitt eine Grimasse. »Du weißt nicht, was dir guttut«, bemerkte der Gnom.
»Das Zeug jedenfalls nicht.« Jair blickte finster drein.
Spinkser hockte sich auf die Hacken zurück. »Ich habe vor einer Weile etwas mitbekommen, was du vermutlich wissen solltest. Es ist keine gute Nachricht für dich.« Er machte eine Pause und schaute beiläufig über seine Schulter. »Auf der anderen Seite der Schwarzen Eichen sollen wir uns mit einem Wandler treffen. Dort wartet einer auf dich. Spilk hat das erzählt.«
Jair wurde eiskalt. »Woher weiß er das?«
Spinkser zuckte mit den Achseln. »Vermutlich vorher so vereinbart. Jedenfalls dachte ich, daß du es wissen solltest. Morgen werden wir die Eichen hinter uns bringen.«
Morgen? Jair fühlte, wie seine Hoffnungen auf der Stelle verflogen. Wie sollte er bis morgen fliehen? Das war zuwenig Zeit! Er hatte geglaubt, zumindest eine Woche oder vielleicht mehr zu haben, ehe sie den unteren Anar und die Feste der Mordgeister erreichten. Aber morgen? Was sollte er nur tun?
Spinkser beobachtete ihn, als läse er seine Gedanken. »Tut mir leid, Junge. Mir gefällt das auch nicht.«
Jair suchte nach seinem Blick und bemühte sich, seine Verzweiflung nicht aus seiner Stimme herausklingen zu lassen. »Warum läßt du mich dann nicht laufen?«
»Dich laufen lassen?« Spinkser lachte tonlos. »Du vergißt wohl, wer auf wessen Seite steht, wie?«
Er nahm einen tiefen Zug aus der Bierflasche und seufzte. Jair beugte sich nach vorn. »Warum bist du bei ihnen, Spinkser? Du bist nicht wie sie. Du gehörst nicht zu ihnen. Du hast nicht…«
»Junge!« Der Gnom schnitt ihm scharf das Wort ab. »Junge, du weißt überhaupt nichts von mir! Nichts. Also erzähl mir nicht, wie ich bin und zu wem ich gehöre! Kümmere dich um dich selbst!«
Es trat ein langes Schweigen ein. In der Mitte der Lichtung saßen die anderen Gnomen ums Feuer versammelt und tranken Bier aus einem schweren Lederkrug. Jair konnte ihre scharfen Augen glitzern sehen, wenn sie von Zeit zu Zeit in seine Richtung schauten. Er sah, wie sich darin Mißtrauen und Furcht spiegelten.
»Du bist nicht wie sie«, wiederholte er leise.
»Vielleicht«, stimmte Spinkser ihm plötzlich zu und starrte in die Dunkelheit. »Aber ich weiß genug, um nicht gegen den Strom zu schwimmen. Der Wind weht aus einer anderen Richtung. Er hat sich gedreht und weht geradewegs aus Osten, und alles, was in seinem Weg steht, wird weggefegt werden. Alles! Du kannst noch nicht einmal die Hälfte von dem allem ermessen. Die Mordgeister stellen eine Macht dar, die mit nichts vergleichbar ist, was ich mir je hätte vorstellen können, und das ganze Ostland ist in ihrer Hand. Und das nur heute. Morgen…« Er schüttelte langsam den Kopf. »Das ist nicht die rechte Zeit für einen
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