Shannara III
umfangen und seine schwarze Gestalt in die Tiefe zerren. Von seinen Worten hörten sie nichts; die Luft um sie her war erfüllt von den schrillen Schreien aus dem See. Das Gestein bebte und ächzte unter ihren Füßen. Wenn sie gekonnt hätten, wären sie geflüchtet und hätten nicht einmal zurückgeschaut. In diesem Augenblick waren sie überzeugt, daß der Tod entfesselt war und unter ihnen umging.
Dann hatte es unvermittelt ein Ende. Der Schatten von Brimen drehte sich um und versank wieder langsam in den trüben Gewässern. Die Schreie wurden schriller, zu einem angstvollen Jammern und verstummten dann schließlich. Der See brodelte und kochte erneut einen Augenblick, glättete sich dann, und schließlich zogen die Wasser wieder ihre friedlichen Kreise.
Im Osten brach der Scheitel der Sonne über den zerklüfteten Rücken der Drachenzähne und verströmte silbergraues Licht durch die ersterbenden Schatten der Nacht.
Brin hörte Rone deutlich aufatmen, und sie faßte nach seiner Hand. Am Rande des Hadeshorn fiel Allanon auf die Knie und verharrte so mit gesenktem Kopf.
»Rone!« wisperte sie heiser und wollte loslaufen. Der Hochländer packte sie mahnend beim Arm, eingedenk der Anweisung des Druiden, doch sie riß sich los und lief zum See. Augenblicklich stürzte er hinter ihr her.
Gemeinsam rannten sie zu dem Druiden, kamen schlitternd auf dem lockeren Gestein zum Halten und beugten sich neben ihm hinab. Er hielt die Augen geschlossen, und sein dunkelhäutiges Gesicht war bleich. Brin ergriff eine seiner großen Hände und stellte fest, daß sie eiskalt war. Der Druide schien sich in Trance zu befinden. Das Talmädchen warf Rone einen fragenden Blick zu. Der Hochländer zuckte mit den Schultern. Brin beachtete ihn nicht weiter, legte ihre Hände auf die Schultern des großen Mannes und schüttelte ihn sanft.
»Allanon«, sagte sie leise.
Die dunklen Augen öffneten sich flatternd und sahen in die ihren. Einen Augenblick lang durchschaute sie ihn klar. In seinem Blick stand schreckliche, unkontrollierte Furcht. Angst war darin zu lesen und Ungläubigkeit. Es erschreckte sie dermaßen, daß sie schnell von ihm zurückwich. Dann verschwand all das, was sie gesehen hatte; es wich dem Ärger.
»Ich wies euch doch an, ihr solltet dortbleiben.« Er stand unbeholfen auf.
Sein Unmut war ihr gleichgültig, und sie beachtete ihn gar nicht. »Was ist geschehen, Allanon? Was habt Ihr gesehen?«
Einen Moment lang schwieg er, und sein Blick wanderte noch einmal über die trüben Wasser des Sees. Er schüttelte langsam den Kopf. »Vater«, flüsterte er.
Brin schaute Rone rasch von der Seite an. Der Hochländer zog die Stirn kraus.
Sie versuchte es noch einmal und faßte leicht nach dem Ärmel des Druiden. »Was hat er Euch gesagt?«
Leere, schwarze Augen richteten sich auf die ihren. »Daß uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, Talmädchen. Daß wir von allen Seiten gejagt werden, und daß sich daran nichts ändert bis zum Ende. Das Ende steht fest, aber er mochte mir nicht offenbaren, wie es ausgeht. Nur, daß es kommen wird, daß du es miterlebst und daß du für unsere Sache gleichzeitig die Retterin und die Zerstörerin bist.«
Brin starrte ihn an. »Was soll das heißen, Allanon?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Sehr nützlich.« Rone richtete sich auf und wandte den Blick in die Berge.
Brin sah weiter den Druiden an. Da war noch etwas. »Was hat er sonst noch gesagt, Allanon?«
Doch wieder schüttelte der Druide den Kopf. »Nichts mehr. Das war alles.«
Er log. Brin begriff es sofort. Es war noch etwas anderes zwischen ihnen besprochen worden, etwas Finsteres und Schreckliches, das er nicht bereit war, preiszugeben. Der Gedanke machte ihr Angst, und die Gewißheit war ein Omen, daß sie ebenso wie ihr Vater und ihr Großvater zuvor zu einem Zweck benutzt werden sollte, den sie nicht durchschaute.
Ihre Gedanken kehrten zu dem zurück, was er davor geäußert hatte. Retterin und Zerstörerin ihrer Sache - beides würde sie sein, hatte der Schatten verkündet. Aber wie war das möglich?
»Eines hat er mir noch berichtet«, fing Allanon plötzlich wieder zu sprechen an, doch Brin fühlte, daß das nicht die Sache war, die er geheimhalten wollte. »Paranor befindet sich in den Händen der Mordgeister. Sie haben die Sperrvorrichtungen überwunden und den Zauber durchbrochen, der den Zugang sonst schützt. Die Burg fiel vor zwei Nächten. Nun durchsuchen sie die Säle nach den
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