Shannara III
gewesen. Doch die anderen Druiden waren nun dahin, und er fühlte sich hier mehr zu Hause als in der Burg. Hier nahmen alle Dinge ihren Anfang, und hier fanden sie ihr Ende. Hierher kam er zurück, den Schlaf zu suchen, der sein Leben erneuerte, jedesmal, wenn er seine Reise durch die Vier Länder beendet hatte, hier, wo seine sterbliche Hülle sich halb in dieser Welt und halb in der des Todes befand. Hier stießen beide Welten aufeinander, hier war die schmale Schnittstelle, die ihm kurzen Zugang gewährte zu allem Vergangenen und allem Zukünftigen. Und vor allem konnte er hier seinen Vater treffen.
Gefangen, ausgestoßen und auf die Auslieferung wartend!
Er verdrängte den Gedanken. Dunkle Augen hoben sich kurz zu der leichten Aufhellung am östlichen Himmel und wanderten dann zum See zurück. Shea Ohmsford war einst vor vielen Jahren hierher gekommen, zusammen mit seinem Halbbruder Flick und den anderen der kleinen Gruppe, die aufgebrochen war, das Schwert von Shannara zu suchen. Es war prophezeit worden, daß sie einen verlieren würden, und so war es geschehen. Shea war die Wasserfälle an der Drachenfalte hinabgerissen worden. Der Druide erinnerte sich noch wohl an das Mißtrauen und den Argwohn, welche die anderen ihm gegenüber zeigten. Und doch hatte er Shea und Flick und Wil Ohmsford gern gehabt. Shea war ihm fast wie ein Sohn gewesen - wäre es vielleicht wirklich gewesen, hätte das Schicksal ihm vergönnt, einen Sohn zu bekommen. Wil Ohmsford war mehr ein Waffenbruder gewesen, der mit ihm zusammen die Verantwortung bei der Suche trug, durch welche der Ellcrys wiederhergestellt und die Elfen gerettet werden sollten.
Nachdenkliche Falten traten auf sein Gesicht. Nun war da Brin, ein Mädchen mit einer Macht, die alles überstieg, was dessen Vorfahren zu ihrer Zeit besessen hatten. Welche Bedeutung sollte es für ihn bekommen?
Er hatte nun das Seeufer erreicht und blieb stehen. Einen Augenblick lang schaute er in das unergründlich tiefe Wasser und wünschte… Dann hob er langsam die Arme zum Himmel; sein Körper verstrahlte Kraft, und der Hadeshorn begann ruhelos zu brodeln. Die Wasser zogen schnellere Kreise, begannen zu kochen und zu zischen, daß Gischt in die Höhe spritzte. Rings um den Druiden erbebte und polterte das öde Tal, als erwachte es aus einem langen, traumlosen Schlaf. Dann stiegen aus den Tiefen des Sees dunkle, schreckliche Schreie auf.
Komm zu mir, rief der Druide lautlos. Sei frei!
Die Schreie wurden höher, schriller, unmenschlich - gefangene Seelen, die aus ihrer Knechtschaft riefen, um erlöst zu werden. Das ganze düstere Tal erfüllte sich mit ihrem Klagen, und die Gischt der trüben Wasser des Hadeshorn zischten deutlich vor Erleichterung.
Komm!
Aus den wogenden, dunklen Gewässern erhob sich der Schatten von Brimen, sein magerer, skelettartiger Körper als durchschimmerndes Grau, im Leichenhemd und vom Alter gebeugt, vor dem nächtlichen Hintergrund. Die schreckliche Gestalt erstand aus den Wassern und blieb vor Allanon auf der Oberfläche des Sees stehen. Langsam senkte der Druide die Arme und schlug die schwarzen Gewänder eng um sich, damit ihm wärmer würde; innerhalb seiner Kapuze hob er das dunkle Gesicht, um nach den leeren, blicklosen Augen seines Vaters zu suchen.
Ich bin da.
Dann hob der Schatten die Arme. Obgleich sie Allanon nicht berührten, empfand er ihre kalte Umarmung ihn wie Tod umfangen. Langsam und sorgenvoll erklang die Stimme seines Vaters.
- Das Zeitalter geht zu Ende. Der Kreis hat sich geschlossen -
Die Kälte in ihm wurde schlimmer und ließ ihn wie zu Eis erstarren. Die Worte flossen weiter wie eins dahin, und obwohl er sie alle mit jedem schrecklichen Detail vernahm, waren sie aufgereiht und zusammengezerrt wie kräftige Knoten an einem Strick. Er hörte sie in stiller Verzweiflung an, hatte Angst wie niemals zuvor und begriff schließlich, was geschehen sollte, geschehen mußte und geschehen würde.
In seinen harten, schwarzen Augen standen Tränen.
In furchtsamer Stille standen Brin Ohmsford und Rone Leah an der Stelle, wo der Druide sie zurückgelassen hatte, und beobachteten das Auftauchen von Brimens Schatten aus den Tiefen des Hadeshorn. Kälte durchbohrte sie, die von keinem umherfegenden Wind stammte, denn es wehte keiner, sondern von der Erscheinung des Geistes. Gemeinsam beobachteten sie ihn, sahen, wie er zerrissen und skeletthaft vor Allanon stand, und wurden gewahr, wie er die Arme hob, als wollte er den Druiden
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