Shannara III
Abend des kommenden Tages würden sie vermutlich die Wälder erreichen. Er hatte seinen Teil der Abmachung eingehalten.
So. Er atmete tief ein und stemmte sich in die Höhe. Zeit, weiterzuziehen. So hatte er sein ganzes Leben verbracht - wie Fährtensucher nun einmal waren. Der Junge mochte sich zuerst vielleicht aufregen, aber er würde darüber hinwegkommen. Und Spinkser bezweifelte, daß er in große Gefahr käme, da Garet Jax auf ihn aufpaßte. Tatsache war, daß es für den Jungen auf diese Art vermutlich besser war.
Er schüttelte gereizt den Kopf. Es gab keinen Grund, Jair einen Jungen zu nennen. Er war älter als der Gnom gewesen war, als er von zu Hause weggegangen war. Jair konnte für sich selbst sorgen, wenn es sein mußte. Er brauchte im Grunde genommen weder Spinkser, noch den Waffenmeister, noch sonst jemanden. Nicht solange er die Zauberkraft besaß, die ihn schützte.
Spinkser zögerte noch einen Augenblick und dachte das Ganze noch einmal durch. Er würde so natürlich nichts von der Zauberei erfahren - das war schon ein Jammer. Die Zauberei reizte ihn, die Art, wie der Junge durch seine Stimme… Nein, sein Entschluß stand fest. Ein Gnom im Ostland hatte nirgendwo in der Nähe von Zwergen etwas zu schaffen. Der war am besten bei seinem eigenen Volk aufgehoben. Und jetzt blieb ihm nicht einmal mehr diese Möglichkeit. Es wäre das einzig Richtige, sich zum Lager zurückzuschleichen, sein Gepäck zu holen, den Fluß zu überschreiten und sich nach Norden in die Grenzgebiete zu begeben.
Er zog die Stirn kraus. Vielleicht lag es nur daran, daß der Talbewohner noch wie ein Junge aussah…
Spinkser, nun raffe dich schon auf!
Er machte schnell kehrt und verschwand in der Nacht.
Träume durchzogen Jair Ohmsfords Schlaf. Er ritt zu Pferd über Hügel und Weideland, durch tiefe, dunkle Wälder, und der Wind heulte in seinen Ohren. Brin war neben ihm, und ihr nachtschwarzes Haar wehte unmöglich lang. Sie sprachen kein Wort beim Reiten, doch jeder kannte die Gedanken des anderen und lebte im Innern des anderen. Und sie jagten immer weiter, kamen durch Länder, die sie noch niemals gesehen hatten, aufregende, weite, wilde Länder. Rund um sie her lauerten Gefahren: Ein gewaltiger, nach Morast stinkender Sumpfhäusler, Gnomen, deren gelbe Gesichter von ihren bösen Absichten gezeichnet waren, Mordgeister, nicht mehr als gespenstische, konturlose, unheimliche Formen, die sich aus der Dunkelheit streckten. Da waren noch andere - gestaltlose, monströse Wesen, die man nicht sehen, nur fühlen konnte, und das Gefühl ihrer Präsenz war schrecklicher, als jedes Gesicht es hätte sein können. Diese Ausgeburten des Bösen griffen nach ihnen mit wild rudernden Klauen und gefletschten Zähnen und Augen, die wie Kohlen in schwärzester Nacht glühten. Diese Wesen wollten Jair und seine Schwester von ihren Reittieren zerren und sie zerreißen. Doch sie waren stets zu langsam, einen Augenblick zu spät, um ihr Ziel zu erreichen, so schnell trugen die Pferde Jair und Brin aus ihrer Reichweite.
Doch die Jagd ging weiter. Sie hörte nicht auf, wie eine Verfolgung zu Ende gehen sollte. Sie hielt einfach an, eine endlose Jagd durch eine Landschaft, die bis zum Horizont reichte. Obgleich die Geschöpfe, die hinter ihnen her waren, sie niemals ganz einholten, lauerten immer neue weiter vorne auf sie. Zuerst war das Paar in Hochstimmung. Sie waren ungezügelt und frei, nichts konnte ihnen etwas anhaben, Bruder und Schwester waren allen gewachsen, die sie in die Tiefe zerren wollten. Doch nach einiger Zeit trat eine Veränderung ein. Es war eine allmähliche Veränderung, die wie ein heimtückisches Wesen über sie hinwegkroch, bis sie sich schließlich in ihrem Innern einnistete und sie als das erkannten, was es war. Es hatte keinen Namen. Es flüsterte ihnen zu, was zu geschehen hätte: Sie könnten das Rennen niemals gewinnen, weil die Dinge, vor denen sie flohen, Teil ihrer selbst waren; kein Pferd, wie schnell es auch sein mochte, könnte sie in Sicherheit bringen. Seht euch an, worum es sich handelt, flüsterte die Stimme, und dann sahen sie die Wahrheit.
Flieht! Jair heulte voller Zorn auf und drängte sein Pferd, schneller zu laufen. Doch die Stimme flüsterte weiter, und der Himmel um sie her wurde immer finsterer, die Farben entwichen dem Land, alles wurde grau und tot. Flieht! schrie er. Dann drehte er sich nach Brin um, weil er plötzlich fühlte, daß bei ihr nicht alles in Ordnung war. Vor ihm wurde
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