Shannara III
in einer Reihe stehen und schauten hinab auf die Wasser des Brunnens. Dann traten sie wie ein Mann darauf zu und faßten mit den Händen ins Wasser. Sogleich wurde es faul und verwandelte sich vom reinsten Kristall zum häßlichsten Schwarz. Es lief den Berg hinab, drang langsam westwärts durch die weiten Wälder des Anar, wo die Zwerge lebten, dann auf das Land des Königs vom Silberfluß und zu Jair…
Vergiftet! Wie ein Schrei erklang das Wort im Kopf des Talbewohners. Der Silberfluß ist vergiftet worden, und das Land starb…
Schlagartig waren die Bilder erloschen. Jair blinzelte. Wieder saß der alte Mann vor ihm, und sein verwittertes Gesicht lächelte milde.
»Aus den Tiefen des Maelmords erklommen die Mordgeister den Weg, den man den Steig zum Himmelsbrunnen, der Lebensquelle des Silberflusses nennt«, flüsterte er. »Das Gift ist allmählich immer schlimmer geworden. Nun droht das Wasser ganz und gar zu verfaulen. Wenn das geschieht, Jair Ohmsford, wird alles Leben, das es vom unteren Anar westwärts bis zum Regenbogensee speist, allmählich dahinsterben.«
»Aber könnt Ihr es nicht aufhalten?« fragte der Talbewohner aufgebracht und zuckte zusammen vor Schmerzen angesichts der Erinnerung an das, was er gesehen hatte. »Könnt Ihr nicht zu ihnen gehen und sie aufhalten, ehe es zu spät ist? Gewiß ist Eure Macht doch größer als die ihre!«
Der König vom Silberfluß seufzte. »In meinem eigenen Land stelle ich den Weg und das Leben dar. Aber nur dort. Außerhalb bin ich machtlos. Ich tue mein Bestes, um das Wasser im Silberflußland sauber zu halten, doch für die anderen Länder kann ich nichts tun. Auch besitze ich nicht ausreichend Kraft, um dem Gift ewig standzuhalten, das unablässig herabströmt. Früher oder später werde ich unterliegen.«
Es trat eine kurze Stille ein, als die beiden einander im flackernden Schein des Lagerfeuers anschauten. Jairs Gehirn arbeitete wie rasend.
»Was ist mit Brin?« rief er plötzlich aus. »Sie und Allanon ziehen zur Heimstatt der Mordgeister-Macht, um sie zu vernichten. Wird die Vergiftung denn nicht aufhören, sobald sie das geschafft haben?«
Die Augen des alten Mannes fanden die seinen. »Ich habe deine Schwester und den Druiden in meinen Träumen gesehen, Kind. Sie werden scheitern. Sie sind Blätter im Wind. Sie werden beide verloren sein.«
Jair erstarrte. Er sah den alten Mann in fassungslosem Schweigen an. Verloren! Brin, dahin für immer…
»Nein«, murmelte er heiser. »Nein, Ihr täuscht Euch.«
»Sie kann gerettet werden«, erreichte ihn plötzlich die milde Stimme. »Du kannst sie retten.«
»Wie?« wisperte Jair.
»Du mußt zu ihr.«
»Aber ich weiß doch gar nicht, wo sie ist!«
»Du mußt dorthin gehen, wo sie deines Wissens sein wird. Ich habe dich ausersehen, an meiner Stelle als Retter des Landes und seines Lebens aufzutreten. Wir alle sind durch Fäden verbunden, weißt du, aber sie sind verknotet. Der Strang, an dem du ziehst, vermag alle übrigen zu lösen.«
Jair begriff nicht, was der alte Mann sagte, und es kümmerte ihn auch nicht. Er wollte nur Brin helfen. »Ratet mir, was ich tun muß.«
Der alte Mann nickte. »Du mußt den Anfang machen, indem du mir die Elfensteine gibst.«
Die Elfensteine! Jair hatte schon wieder vergessen, daß er sie bei sich trug. Ihr Zauber war die Kraft, die er brauchte, um die Magie der Mordgeister und alles Bösen, das sie zu dem Zweck aufbieten mochten, ihn aufzuhalten, zu vernichten!
»Kannst du sie für mich wirksam werden lassen?« fragte der Mann aus dem Tal eilends, als er sie aus seiner Jacke zog. »Kannst du mir zeigen, wie man ihre Kraft auslöst?«
Aber der König schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ihre Macht ist nicht dein Besitz. Sie gehört nur demjenigen, dem der Zauber freiwillig geschenkt wurde, und dir wurde er nicht geschenkt.«
Jair sackte niedergeschlagen zurück. »Was sollte ich dann tun? Welchen Nutzen haben die Steine, wenn…«
»Großen Nutzen, Jair«, unterbrach der andere ihn sanft. »Aber zuerst mußt du sie mir geben. Für immer.«
Jair starrte ihn an. Zum erstenmal seit dem Erscheinen des alten Mannes hegte der junge Mann Zweifel. Es hatte die Elfensteine unter Einsatz seines Lebens aus seinem Elternhaus geborgen. Immer wieder hatte er sie geschützt zu dem einzigen Zweck, eine Möglichkeit zu finden, mit ihnen seiner Familie gegen die Mordgeister zu helfen. Nun verlangte man von ihm, die einzige wirkliche Waffe, die er besaß, aufzugeben.
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