Shannara III
ihrem Bruder etwas zustoßen und der Druide erführe es, so würde er es ihr verschweigen, davon war sie überzeugt. Nichts durfte den Auftrag stören, zu dem er sie ausersehen hatte. Et war in seiner Entschlossenheit ebenso undurchsichtig und schrecklich wie der Feind, den er bezwingen wollte - und in dieser Hinsicht erschreckte er sie gleichermaßen. Sie war immer noch verwirrt davon, was er Rone angetan hatte.
Rone Leah liebte sie; das Gefühl war vielleicht nicht ausgesprochen zwischen ihnen, aber es war da. Aus dieser Liebe heraus hatte er sie begleitet, um zu gewährleisten, daß sie jemanden bei sich hatte, dem sie immer trauen konnte. Er hatte nicht die Meinung, daß Allanon diese Vertrauensperson sein könnte. Doch der Druide hatte Rones Absichten unterwandert und gleichzeitig seine Kritik zum Schweigen gebracht. Er hatte an Rones selbstgewählte Rolle als Beschützer appelliert, und als der Hochländer die Herausforderung angenommen hatte, war er von dem Druiden in ein schwächeres Abbild seiner selbst verwandelt worden, indem er dem Schwert von Leah magische Kräfte verlieh.
Als altes, abgenutztes Relikt war das Schwert für Rone kaum mehr als ein Symbol gewesen, ihn an das Erbe von Mut und Beherztheit des Hauses Leah zu gemahnen. Doch der Druide hatte es in eine Waffe verwandelt, mit der der Hochländer versuchen konnte, seine eigenen, oft erträumten Großtaten zu vollbringen. Durch dieses Vorgehen hatte Allanon Rones Rolle als Beschützer zu etwas weit Anspruchsvollerem abgewandelt, als sie oder der Hochländer sich das vorgestellt hatten. Und was der Druide aus Rone Leah gemacht hatte, konnte durchaus dessen Vernichtung bedeuten.
»Es war mit nichts vergleichbar, das ich mir jemals hätte ausmalen können«, hatte er ihr anvertraut, als sie an jenem ersten Abend nach dem Verlassen des Schiefer-Tales alleine waren. Seine Worte kamen zögernd, verrieten gleichzeitig aber auch seine Aufregung. So lange hatte er gebraucht, um nur mit ihr überhaupt darüber sprechen zu können. »Es war, als ob diese Energie in mir explodierte. Brin, ich weiß nicht einmal, was mich dazu veranlaßt hat; ich habe einfach nur gehandelt. Ich sah Allanon im Feuer gefangen und handelte einfach nur. Als das Schwert ins Feuer schlug, konnte ich seine Macht fühlen. Ich war ein Teil von ihr. In diesem Augenblick hatte ich das Empfinden, es gäbe nichts, zu dem ich nicht imstande wäre - nichts!«
Sein Gesicht war bei der Erinnerung gerötet. »Brin, nicht einmal der Druide kann mir mehr Angst einflößen!«
Brin hob den Blick und ließ ihn über die dunkle Fläche der Wälder unter ihnen schweifen, die noch nebelverhangen im Dämmerlicht eines trostlosen Herbsttages lagen. Ihre Vorahnung glitt zwischen den Felsen hindurch und entlang den Windungen des Weges katzenschnell und unbeirrbar heran. Sie wird ihr Gesicht erst zeigen, wenn sie uns zu fassen bekommt. Und das wird unser Ende bedeuten. Irgendwie weiß ich, daß es so kommt. Die Stimme flüstert mir innerlich die Namen von Jair, Rone, Allanon und vor allem anderen die der Mordgeister zu. Sie raunt aus Geheimnissen, die mir vorenthalten werden, lauert im bedrückenden Grau dieses Tages und im nebelhaften Dunkel dessen, was vor uns liegt.
Wir werden vernichtet werden. Alle.
Gegen Mittag befanden sie sich schließlich in den Wäldern. Sie ritten den ganzen Nachmittag den kurvenreichen Weg durch Nebel und Düsternis und zwängten sich durch enge Durchgänge zwischen dicken Bäumen und erstickendem Gesträuch. Es war ein Wald, leblos und ohne Farben, eisenhart im herbstlichen Grau mit Blättern, die staubig braun geworden waren und sich furchtsam aufgerollt hatten angesichts der Kälte. Einst hatten Wölfe diese Wälder durchstreift, große, graue Ungeheuer, die Wache hielten gegen alle, die ins Gebiet der Druiden einzudringen wagten. Doch die Wölfe waren fort, ihre Zeit war längst dahin, und nun blieben nur noch Stille und Leere. Rings umher herrschte ein Hauch von Tod.
Die Dämmerung brach gerade herein, als Allanon sie, erschöpft und zerschlagen wie sie vom langen Tagesritt waren, endlich anzuhalten hieß. Sie banden ihre Pferde in einer Gruppe riesenhafter Eichen fest und gaben ihnen nur kleine Rationen Wasser und Futter, damit sie keine Krämpfe bekämen. Dann setzten sie ihren Marsch zu Fuß fort. Je weiter die Nacht hereinbrach, umso mehr nahm die Finsternis um sie her zu, und die Stille wich einem tiefen, entfernten Donnern, das in der Luft zu hängen schien.
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