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Shannara IV

Titel: Shannara IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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sich seine Worte für den Finsterweiher zurechtlegte, die Gründe, die er vorbringen wollte, die Spiele, die er, wenn nötig, spielen würde. Er ging im stillen noch einmal die Ereignisse in seinem Leben durch, die sich der Geist wahrscheinlich zunutze machen würde - bei den meisten handelte es sich um solche aus seiner Jugend, als er von seiner inneren Zerrissenheit und Unsicherheit geplagt wurde.
    »Dunkler Onkel«, so hatten sie ihn schon damals genannt, die Spielgefährten von Par und Coll, deren Eltern und andere Menschen aus dem Dorf Shady Vale. Als dunkel bezeichneten sie das Leben und das Wesen dieses blassen, in sich zurückgezogenen jungen Mannes, der manchmal Gedanken lesen konnte, der Dinge, die geschahen, vorhersagen und sie sogar heraufbeschwören konnte, der vieles, das den anderen verborgen blieb, wußte Par und Colls seltsamer Onkel, der ohne eigene Eltern aufwuchs, der keine eigene Familie hatte, der ohne eine Vergangenheit lebte, die er mit anderen hätte teilen wollen. Selbst der Name Ohmsford schien nicht zu ihm zu passen. Er war immer der »Dunkle Onkel«, mehr nach Wissen als nach Jahren älter als alle anderen. Es war kein Wissen, das er gelernt hatte; es war ein Wissen, mit dem er geboren wurde.
    Vor ihm lichteten sich die Bäume so unvermittelt, daß er erschrak. Er stand am Rand des Sees, dessen felsige Ufer sich zu beiden Seiten in den Nebeln verloren, dessen Wasser nur leise plätscherte. Walker Boh richtete sich auf. Seine Sinne schärften sich, seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich, seine Gedanken wurden klar.
    Während er wartete, glich er einer einsamen Statue.
    Dann erhaschte er eine Bewegung im Nebel, aber sie ging von mehr als einer Stelle aus und war so schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Irgendwo weit weg, über dem Nebel, der den See einhüllte, jenseits der Bergkämme, die das schmale Tal umschlossen, flüsterte eine Stimme in einen leeren Himmel: »Dunkler Onkel.«
    Walker hörte die Worte, täuschend nah und gleichzeitig nirgendwo, nicht aus seinem Kopf oder von einem anderen feststellbaren Ort, und trotzdem waren sie da. Er antwortete nicht. Er wartete einfach.
    Dann begannen die vereinzelt auftretenden Bewegungen, die nur wenige Augenblicke vorher den Nebel durchbrochen hatten, sich an einem Punkt zu versammeln, formten eine farblose Gestalt, die auf dem Wasser stand und jetzt langsam näher kam. Ihre Umrisse wurden immer deutlicher; sie schien zu wachsen, bis sie größer war als jede menschliche Gestalt, und erhob sich, als wolle sie alles, was ihr im Weg stand, zertreten. Walker Boh rührte sich nicht. Die Gestalt verwandelte sich in einen Schatten, und der Schatten verwandelte sich in einen Menschen…
    Walker Boh beobachtete regungslos, wie der Finsterweiher vor ihm stand, jetzt sein Gesicht aus dem Schatten hob und die Identität enthüllte, für die er sich entschieden hatte.
    »Bist du gekommen, um meine Forderung anzunehmen, Walker Boh?« fragte er.
    Walker Boh war überrascht. Das dunkle, sich drohend auftürmende Antlitz von Allanon starrte auf ihn herab.
     
    Zwischen den Mauern des Lagerhauses herrschte eine erwartungsvolle Stille, als sich sechs Paar Augen gespannt auf Padishar Creel richteten.
    Er hatte eben angekündigt, daß sie noch einmal in die Schlucht zurückkehren würden. »Wir werden dieses Mal anders vorgehen«, erklärte er ihnen, während sein knochiges Gesicht vor Entschlossenheit strotzte, als könne er sie allein damit von seinem Vorhaben überzeugen. »Wir werden uns diesmal nicht mit Strickleitern durch den Park schleichen. Es gibt einen Eingang zum Park im Keller des Wachhauses. Und auf diese Weise kommen wir hinein. Wir gehen in das Wachhaus hinein, hinunter in die Schlucht und wieder heraus, noch bevor es einer merkt.«
    Par riskierte einen Blick auf die anderen. Coll, Morgan, Damson Rhee, die Geächteten Stasas und Drutt - auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck von Unglauben und Hochachtung. Das, was der Anführer der Geächteten vorschlug, war schlichtweg ungeheuerlich, die Chance, damit durchzukommen, mehr als gering. Keiner versuchte ihn zu unterbrechen. Alle warteten gespannt auf die Einzelheiten des Plans.
    »Die Wachen des Wachhauses werden zweimal täglich abgelöst - einmal bei Sonnenaufgang, einmal bei Sonnenuntergang. Zwei Schichten zu je sechs Mann. Jede Schicht wird einmal in der Woche ausgewechselt, aber an jeweils anderen Tagen. Heute ist einer dieser Tage. Die Tagwachen werden heute kurz nach Sonnenuntergang

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