Shannara IV
dem Maulwurf zum anderen Ende des Ganges. Dort verließ sie der Maulwurf mit einem aufmunternden Lächeln, schlüpfte durch die Tür hindurch und war verschwunden.
Par und das Mädchen saßen nahe bei der Tür einander gegenüber. Er spähte durch den schwach erhellten Gang, um sich zu vergewissern, daß er Coll noch sehen konnte. Das rauhe Gesicht seines Bruders kam kurz in Sicht, und Par winkte ihm flüchtig zu. Coll winkte zurück.
Dann saßen sie in der Stille und warteten. Die Minuten gingen dahin, und der Maulwurf kehrte nicht zurück.
Par wurde langsam unbehaglich zumute. Er rückte näher an Damson Rhee heran. »Glaubst du, daß er in Ordnung ist?« fragte er flüsternd.
Sie nickte wortlos.
Par rutschte wieder weg. »Ich hasse dieses Warten.«
Sie gab keine Antwort. Sie hatte den Kopf an die Wand gelehnt und hielt die Augen geschlossen. Lange Zeit verharrte sie in dieser Stellung. Par hielt es für möglich, daß sie schlief. Als er noch einmal durch den Gang nach Coll sah, stellte er fest, daß Coll genau wie vorher dasaß, so daß er sich wieder Damson Rhee zuwandte. Ihre Augen waren jetzt offen und auf ihn gerichtet.
»Möchtest du, daß ich dir etwas aus meinem Leben erzähle, das sonst niemand weiß?« fragte sie leise.
Wortlos betrachtete er ihr Gesicht, ihre zarten, ebenmäßigen Züge, die jetzt so angespannt schienen, ihre smaragdfarbenen Augen und ihre blasse Haut, die teilweise von ihrem roten Haar verdeckt wurde. Sie kam ihm wunderschön und geheimnisvoll vor, und er wollte alles von ihr wissen. »Ja«, antwortete er.
Sie rutschte an ihn heran, bis sich ihre Schultern berührten. Sie warf ihm einen Blick zu und schaute dann weg. Er wartete.
»Wenn man jemand ein Geheimnis von sich selbst erzählt, ist es so, als gäbe man ihm damit einen Teil seiner selbst«, sagte sie. »Es ist ein Geschenk, aber es ist viel wertvoller als etwas, das man kaufen kann. Ich würde nicht sagen, daß ich vielen Menschen Dinge über mich erzähle. Ich nehme an, daß es daher kommt, daß ich nie viel mehr als mich selbst besessen habe, und deshalb möchte ich das wenige nicht auch noch weggeben.«
Sie neigte den Kopf. Ihr Haar fiel nach vorn und bedeckte ihr Gesicht gleich einem Schleier, weshalb er es nur undeutlich sehen konnte. »Aber dir möchte ich etwas geben. Du bist mir so vertraut. Von Anfang an, seit dem ersten Tag im Park. Vielleicht deshalb, weil wir beide über Magie verfügen - sie verbindet uns. Vielleicht habe ich deshalb das Gefühl, daß wir uns ähnlich sind. Ich weiß, daß deine Magie anders ist als meine, aber das macht nichts. Was zählt, ist, daß die Magie Teil unseres Lebens ist. Die Magie sind wir. Durch sie leben wir.«
Sie hielt inne, und weil er glaubte, sie erwarte eine Antwort, nickte er. Er konnte jedoch nicht erkennen, ob sie sein Nicken bemerkte.
Sie seufzte. »Weißt du, Elfenjunge, ich mag dich. Du bist entschlossen, ja stur, und manchmal siehst du die Dinge und die Menschen um dich herum überhaupt nicht - nur dich selbst. Aber da sind wir uns ähnlich. Vielleicht schaffen wir es dadurch, nicht so zu werden wie alle anderen. Und vielleicht gelingt es uns so zu überleben.« Wieder hielt sie inne und sah ihn an. »Ich habe darüber nachgedacht - wenn ich sterben müßte, möchte ich dir gern etwas von mir hinterlassen, etwas, das nur du hast. Etwas Besonderes.«
Par wollte protestieren, aber sie legte schnell ihre Finger auf seinen Mund. »Bitte laß mich ausreden. Ich will damit nicht sagen, daß ich sterben werde, aber es ist immerhin möglich. Und es könnte doch sein, daß ich dadurch, daß ich dir ein Geheimnis mitteile, davor geschützt werde, wie durch einen Talisman, und daß er alles Übel von mir fernhält. Verstehst du?« Sie nahm ihre Finger weg. »Erinnerst du dich, als ich dir das erstemal von mir erzählt habe, in der Nacht, in der du der Föderation entwischt bist, nachdem ihr alle gefangengenommen worden wart? Ich habe versucht, dich davon zu überzeugen, daß ich euch nicht verraten hatte. Jeder hat dem anderen Dinge von sich selbst erzählt. Du hast mir von deiner Magie erzählt, und wie sie funktioniert. Erinnerst du dich?«
Er nickte. »Du hast mir erzählt, daß du mit acht Jahren deine Eltern verloren hast und daß die Föderation daran schuld war.«
Sie zog die Knie an wie ein Kind. »Ich habe dir erzählt, daß meine Familie in einem Brand umgekommen ist, den die Föderationssucher gelegt haben, nachdem sie entdeckt hatten, daß mein Vater die
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