Shannara V
erwiderte Coll.
Dall blieb stehen und wandte sich ihm zu. »Wie wäre es, wenn ich die Magie an dir ausprobieren würde? Dann könntest du dir dein eigenes Urteil bilden.«
Coll runzelte die Stirn und verbarg die freudige Erregung, die plötzlich in ihm aufwallte. »Ich weiß nicht. Es hat vielleicht nichts zu bedeuten, wenn sie an mir funktioniert.«
Die behandschuhte Hand hob sich, eine hagere Schwärze, die das Licht aus der Luft stahl. »Warum läßt du es mich nicht versuchen? Was kann schon passieren?«
Sie gingen den Gang hinab und ein Dutzend Treppenfluchten hinauf, bis sie nur wenige Stockwerke unterhalb der Zelle waren, in der Coll gefangengehalten wurde. An einer Tür mit einem Wolfskopf und roten Buchstaben, die Coll nicht entziffern konnte, zog Rimmer Dall einen Schlüssel hervor, steckte ihn in ein schweres Schloß und stieß die Tür auf. Innen gab es ein einziges Fenster, durch das ein schmales Band Sonnenlicht auf einen hohen, hölzernen Kabinettschrank fiel. Rimmer Dall ging zu dem Schrank, öffnete die Doppeltüren und nahm das Spiegeltuch heraus.
»Sieh einen Moment von mir fort«, befahl er.
Coll wandte den Kopf ab und wartete.
»Coll«, erklang eine Stimme.
Er wandte sich wieder um. Dort stand sein Vater Jaralan, groß und gebeugt, in seiner geliebten Lederschürze, die er für seine Holzarbeiten benutzte. Coll blinzelte ungläubig und sagte sich, daß das nicht sein Vater sei, daß es Rimmer Dall sei, und doch war es sein Vater, den er sah.
Dann machte sein Vater eine Bewegung, um die Schürze auszuziehen, und die verwandelte sich sofort in das Spiegeltuch, und dann stand wieder Rimmer Dall vor ihm.
»Wen hast du gesehen?« fragte der Erste Sucher sanft.
Coll zögerte mit seiner Antwort. Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube immer noch, daß Par Euch erkennen wird.«
Rimmer Dall betrachtete ihn einen Moment. Sein großes, grobknochiges Gesicht war flach und leer und die seltsamen Augen so hart wie Stein. »Ich möchte, daß du über etwas nachdenkst«, sagte er schließlich. »Erinnerst du dich an jene bemitleidenswerten Wesen in der Grube in Tyrsis, die durch die Gefangenschaft bei der Föderation verrückt wurden und dann von ihrer Magie verschlungen wurden? Das ist es, was deinem Bruder droht. Es geschieht vielleicht nicht heute oder morgen oder nächste Woche oder auch nächsten Monat, irgendwann aber wird es geschehen. Und wenn es erst einmal geschieht, wird es keine Hilfe mehr für ihn geben.«
Coll kämpfte darum, daß seine Angst nicht in seinen Augen sichtbar wurde.
»Ich möchte, daß du auch über noch etwas anderes nachdenkst: Alle Schattenwesen haben die Macht, einzudringen und zu vernichten. Sie können die Körper anderer Wesen bewohnen und ihre Identität annehmen, so lange es nötig ist.« Er hielt inne. »Ich könnte du werden, Coll Ohmsford. Ich könnte so leicht wie eine Messerklinge unter deine Haut schlüpfen und dich besitzen.« Rimmers rauhes Flüstern war ein Zischen vor der Stille. »Aber das möchte ich nicht tun, weil ich dich nicht verletzen will. Ich habe die Wahrheit gesagt, als ich dir erzählte, daß ich deinem Bruder helfen will. Du mußt für dich selbst entscheiden, ob du mir glaubst oder nicht, aber denke erst einmal über das nach, was ich dir gerade gesagt habe.«
Er wandte sich um, legte das Spiegeltuch in den Schrank zurück und schloß die Tür. Ob er ärgerlich oder enttäuscht oder etwas anderes war, war schwer zu sagen, aber sein Schritt war entschlossen, als er Coll aus dem Raum führte und die Tür hinter ihnen zuzog. Coll lauschte auf das Einschnappen des Schlosses, aber er hörte es nicht. Rimmer Dall entfernte sich bereits, so daß Coll ihm schnell folgte. Der Erste Sucher führte ihn zu einer Treppe und deutete hinauf.
»Dein Quartier liegt dort oben. Denke sorgfältig nach«, warnte er, »denn du spielst durch dein Zögern mit zwei Leben.«
Coll wandte sich wortlos um und sah die Treppe hinauf. Als er ein Dutzend Schritte später über seine Schulter zurückschaute, war Rimmer Dall verschwunden.
Es gab noch immer Licht, wenn auch nur schwach, als er wieder den Gang entlang zu den Treppen ging und dann durch die Schatten hinab zum Übungshof. Er hatte dort seine Tunika vergessen. Er brauchte sie natürlich nicht, aber sie lieferte ihm den Vorwand, den er brauchte, um herauszufinden, ob die Tür zu dem Raum, in dem sich das Spiegeltuch befand, unverschlossen geblieben war.
Sein Atem klang in der Stille hastig und rauh, als er
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