Shannara VI
dunkler, und eine seltsame Stille legte sich über die Klippe. Padishar, dachte er, halte durch, wir kommen. Irgendwie kommen wir.
Er versuchte zu schlafen und konnte es nicht. Er versuchte zu überlegen, was er tun könnte, aber alles hätte bedeutet, daß er sein Versteck hätte verlassen müssen, und wenn er dies tat, würde er wahrscheinlich nicht zurückgelangen. Er mußte warten. Befreiungspläne bevölkerten seinen Geist, aber sie waren so flüchtig wie Rauch, nährten sich aus reiner Spekulation und nicht aus Tatsachen und blieben daher nutzlos. Er hätte so gern das Schwert von Leah bei sich gehabt, um sich nicht so wehrlos zu fühlen. Er hätte gern bei seinen Versuchen, seinen Freunden zu helfen, eine bessere Wahl getroffen. Er wünschte sich in eine dunkle Ecke und war gezwungen, seine Wünsche aufzugeben, weil er fürchtete, daß sein Kummer ihn lähmen könnte.
Es war fast Mitternacht, als er das Schaben von Stiefeln auf dem Stein des Hofes hörte. Als er von seinem leichten Schlummer aufsah, stand Matty Roh plötzlich in dem verblassenden Sternenlicht vor ihm. Er richtete sich ruckartig auf, und sie bedeutete ihm, leise zu sein. Sie kam zu der Stelle herüber, wo er wartete, und setzte sich schwer atmend neben ihn.
»Ich bin die letzte Meile gerannt«, sagte sie. »Ich hatte Angst, Ihr wäret fort.«
»Nein.« Er wartete. »Seid Ihr in Ordnung?«
Sie sah ihn an, und ihr Blick zeigte Beunruhigung. »Damson?«
»Sie ist auf die Suche nach dem Maulwurf gegangen, und dann will sie Chandos und die anderen durch die Tunnel hereinbringen. Sie wird uns in der Dämmerung hier wieder treffen.«
Mattys Lächeln war angstvoll und suchend. »Ich bin froh, daß Ihr hier seid.«
Er lächelte zurück, aber das Lächeln schien falsch, und er ließ es fallen. »Was ist geschehen, Matty?«
»Ich habe ihn gefunden.«
Morgan atmete tief ein. »Erzählt es mir«, drängte er sanft, obwohl er spürte, daß man sie nicht zur Eile antreiben durfte. Ein Schweißfilm lag auf ihrer Haut, und sie hatte einen seltsamen Ausdruck in ihren Augen.
Sie beugte sich vor, so daß sich ihre Schultern berührten. Ihre jungenhaften, zarten Gesichtszüge waren angespannt, und da war eine Dringlichkeit, die so spürbar war wie das Licht. »Ich habe in den Schenken angefangen, habe beobachtet und zugehört. Ich habe leichte Bekanntschaften gemacht, Soldaten, einen untergeordneten Offizier. Ich habe aus ihnen herausgeholt, was ich konnte, und bin dann weitergegangen. Padishars Name wurde erwähnt, aber nur nebenbei, in Verbindung mit der Hinrichtung. Die Nacht brach herein, und ich hatte noch immer nicht erfahren, wo sie ihn gefangenhalten.«
Sie schluckte, griff nach dem Wassergefäß, goß einen Becher daraus ein und trank in tiefen Zügen. Er konnte die Kraft in ihrem schlanken Körper spüren, als sie den seinen berührte.
Sie wandte sich wieder um. »Ich war sicher, daß sie ihn irgendwo gefangenhalten, wo niemand gern hingeht. Der Wachturm war ein Trick, wo sonst konnte er also sein? Es gibt Gefängnisse, aber von dort würde etwas durchdringen. Es mußte an einem Ort sein, den niemand gern aufsucht.«
Morgan wurde blaß. »Die Grube.«
Sie nickte. »Ja.« Sie hielt ihren Blick auf ihn gerichtet. »Ich bin zum Volkspark gegangen und habe das Wachhaus schwer bewacht vorgefunden. Warum war das wohl so, fragte ich mich. Ich wartete, bis ein Offizier herauskam, ein hochgestellter, einer, der etwas zu erzählen haben würde. Ich folgte ihm und setzte mich dann mit ihm zum Trinken hin. Ich ließ es dahin kommen, daß er mich davon überzeugen wollte, mit ihm an einen verschwiegenen Ort zu gehen. Als ich ihn allein hatte, legte ich ein Messer an seine Kehle und stellte ihm Fragen. Er wich aus, aber ich habe erreicht, daß er zugab, was ich bereits wußte: daß Padishar in seinen Zellen gefangengehalten wird.«
»Lebt er denn noch?«
»Er lebt, damit er öffentlich hingerichtet werden kann. Sie wollen vermeiden, daß hinterher Gerüchte die Runde machen, er habe entkommen können. Sie wollen, daß jedermann sieht, wie er stirbt.«
Sie sahen einander in der Dunkelheit an. Die Grube, dachte Morgan mit einem Gefühl der Übelkeit im Magen. Er hatte gehofft, niemals wieder dorthin zurückkehren zu müssen, niemals wieder auch nur in ihre Nähe kommen zu müssen. Er dachte an die Wesen, die dort lebten, die Ausgeburten der Schattenwesen, die Monster, die von der Barriere der Magie festgehalten wurden. Sie hatten das Schwert von Leah
Weitere Kostenlose Bücher