Shannara VI
daran gewesen war, überhaupt nicht wieder zu erwachen. Seine Krankheit hatte alle Kraft aus ihm herausgesaugt, und noch einige Tage lang hatte er gefüttert werden müssen. Es war ihm gelungen, für kurze Zeit wach zu bleiben und dann auch ein wenig zu sprechen. Die junge Ehefrau mit dem strohblonden Haar und den hellblauen Augen hatte sich um ihn gekümmert, während ihr Mann auf den Feldern arbeitete, und sie hatte besorgt gelächelt, als sie ihm erzählte, daß seine Träume offensichtlich schlechte Träume gewesen waren. Sie hatte ihm Suppe und Brot mit Wasser und eine kleine Ration Bier gegeben. Er hatte es dankbar angenommen und ihr wiederholt dafür gedankt, daß sie sich um ihn gekümmert hatte. Manchmal war ihr Mann erschienen, hatte neben ihr gestanden und auf ihn hinabgeschaut, offen und rotgesichtig von der Sonne, mit freundlichen Augen und einem breiten Lächeln. Er hatte einmal erwähnt, daß Morgans Schwert sicher beiseite gelegt worden war, daß es nicht verlorengegangen war. Offensichtlich war auch das ein Teil der Alpträume gewesen.
Am Ende der zweiten Woche hatte Morgan seine Mahlzeiten mit ihnen an ihrem Eßtisch einnehmen können und war jeden Tag kräftiger geworden. Seine Erinnerungen waren jedoch geblieben - das Gefühl von Schmerz und Übelkeit, das Empfinden von Hilflosigkeit und Angst, daß die Krankheit die Tür zu der Dunkelheit war, die am Ende seines Lebens kommen würde. Die Erinnerungen waren geblieben, denn Morgan war in den vergangenen Wochen zu häufig dem Tode nahe gewesen, als daß er sie einfach hätte beiseite schieben können. Er war geprägt von dem, was er erfahren hatte und litt genauso sicher, als wäre er im Kampf verwundet worden, und sogar der Farmer und seine Frau hatten in seinen Augen und in seinem Gesicht sehen können, was ihm angetan worden war. Sie hatten niemals um eine Erklärung gebeten, aber sie hatten es sehen können.
Er hatte angeboten, sie für ihre Fürsorge zu bezahlen, und sie hatten es, wie nicht anderes zu erwarten, abgelehnt. Als er sich nach siebzehn Tagen von ihnen verabschiedet hatte, hatte er die Hälfte des Geldes, das ihm noch verblieben war, der Frau in die Tasche ihrer abgetragenen Schürze gleiten lassen, als sie einmal nicht hingesehen hatte. Sie hatten hinter ihm hergeschaut, wie Eltern hinter einem Kind herschauen, bis es außer Sicht ist.
Und so kam er nicht nur mit erheblicher Verspätung in Varfleet an, um die Suche nach Padishar und Par und Coll aufzunehmen, sondern er war auch mit einem neuerlichen Empfinden für die eigene Sterblichkeit ausgerüstet worden. Morgan Leah war von Eldwist und den Charnals herabgekommen, als er noch immer mit der Erinnerung an Quickenings Tod rang und niedergeschmettert war durch den Verlust, den er nach ihrem Dahinscheiden empfand. Er war voller Ehrfurcht vor ihrer Stärke, den Wunsch ihres Vaters auszuführen und ihr eigenes Leben aufzugeben, damit das Land wiederhergestellt werden könnte. Sie war ein Elementargeist, der weitaus menschlicher geworden war, als ihr Vater angenommen hatte, und blieb trotzdem für Morgan ein Rätsel, für das er wohl niemals eine Lösung finden würde. Mit dieser Erkenntnis verbunden war der unleugbare Stolz und die Kraft, die er bei dem Kampf gegen Uhl Belk und bei der Wiedererlangung der Magie des Schwertes von Leah gefunden hatte. Als das Schwert wieder zu einem Ganzen geworden war, war auch er es geworden. Quickening hatte dies bewirkt. Mit dem Verlust von Quickening hatte er sich selbst gefunden, das erkannte Morgan jetzt. Der Widerspruch zwischen dem, was verloren, und dem, was gewonnen worden war, hatte in ihm gekämpft, während er mit Walker und Horner Dees südwärts gezogen war. Es war ein Konflikt, der niemals gänzlich würde beigelegt werden können, und so hatte sein Wüten auch erst, als die Krankheit ihn überwältigt hatte, dem eher grundsätzlichen Bedürfnis Raum gegeben, einen Weg zum Überleben zu finden.
Während er jetzt auf die Stadt hinabsah, zurückgekehrt aus mehreren Alptraumwelten, aus den Leben, die er in jenen Welten gelebt hatte, so weit entfernt, daß sie von jemand anderem gelebt worden sein konnten, überlegte Morgan, daß er am Anfang eines wiederum neuen Lebens stand. Er stellte fest, daß er sich fragte, ob jene, die ihn in dem alten Leben gekannt hatten, jemals wieder erkennen würden, wer er war.
Er betrat Varfleet wie ein weiterer Reisender, der aus dem Norden herabgekommen war, ein Südländer, verwittert und gereift
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