Shannara VI
beiseite, riß mehrere Streifen Stoff von seinem Umhang ab und begann ihre Hände zu verbinden. »Das hättet Ihr nicht tun müssen«, warf er ihr vor.
Ihr Lächeln war schwach und sehnsuchtsvoll. »Nein? Wäret Ihr Euch sonst meinetwegen sicher gewesen, Morgan Leah? Das glaube ich nicht. Und wenn Ihr Euch meinetwegen nicht sicher seid, wie können wir einander dann helfen? Es muß Vertrauen zwischen uns bestehen.« Sie sah ihn mit ihren sanften Augen an. »Besteht es jetzt?«
Er nickte schnell. »Ja. Es tut mir leid, Damson.«
Ihre verbundenen Hände griffen aufwärts, um seine zu umfassen. »Ich möchte Euch etwas sagen.« Wieder traten Tränen in ihre Augen. »Ihr habt gesagt, daß Euer Freund Steff Teel geliebt hat? Nun, Hochländer, ich liebe Par Ohmsford.«
Dann erkannte er dies alles selbst. Warum sie bei Par geblieben war, sich ihm so vollständig ergeben hatte, ihm sogar in die Grube gefolgt war, auf ihn aufgepaßt hatte, ihn beschützt hatte. Es war das, was er für Quickening getan hätte - zu tun versucht hatte. Damson Rhee hatte eine Verpflichtung übernommen, von der sie nur der Tod würde entbinden können.
»Es tut mir leid«, sagte er erneut und dachte, wie unangemessen das doch klang.
Ihre Hände ergriffen seine fester und ließen nicht los. In der Dämmerung sahen sie einander lange Zeit schweigend an. Während er ihre Hände hielt, wurde Morgan an Quickening erinnert, an die Art, wie sie sich angefühlt hatte, an die Gefühle, die sie in ihm hervorgerufen hatte. Er stellte fest, daß er sie verzweifelt vermißte und alles gegeben hätte, sie zurückzubekommen.
»Genug geprüft«, flüsterte Damson. »Laßt uns statt dessen sprechen. Ich werde Euch alles erzählen, was mir widerfahren ist. Ihr werdet dasselbe von Euch erzählen. Par und Padishar brauchen uns. Vielleicht können wir zusammen einen Weg finden, ihnen zu helfen.«
Sie drückte seine Hände, als würden die ihren nicht schmerzen, und lächelte ihm ermutigend zu. Er beugte sich hinab, um das Schwert von Leah wieder aufzunehmen, und ging dann mit ihr durch die Bäume auf den Widerschein der Herdfeuer zu. Sein Geist arbeitete, durchdachte das, was sie ihm erzählt hatte, trennte Eindrücke von Tatsachen und versuchte, etwas Nützliches herauszufiltern. Damson hatte recht. Der Talbewohner und der Anführer der Geächteten brauchten sie. Morgan war entschlossen, keinen von beiden im Stich zu lassen.
Aber was konnte er tun?
Der Duft von Essen von den Herdfeuern drang verlockend bis zu ihm herüber. Das erste Mal, seit er angekommen war, war er hungrig.
Par und Padishar.
Padishar zuerst, dachte er.
Chandos hatte von fünf Tagen gesprochen.
Wenn die Sucher ihn nicht zuerst erwischten…
Es drang ganz plötzlich auf ihn ein. Das Bild in seinem Geist war so klar, daß er fast aufschrie. Er griff impulsiv hinüber und legte seinen Arm um Damsons Schultern.
»Ich glaube, ich weiß, wie wir Padishar befreien können«, sagte er.
Kapitel 10
Fünf Tage lang umkreisten die Vier Reiter die Mauern Paranors, und fünf Tage lang stand Walker Boh auf den Festungsmauern und beobachtete sie. In der Dämmerung versammelten sie sich jeweils an den Westtoren, Schatten, die aus der Dunkelheit und der vergangenen Nacht gekommen waren. Einer näherte sich, jedes Mal ein anderer, und hämmerte einmal herausfordernd gegen die Tore. Wenn Walker nicht erschien, nahmen sie ihre verbissene Wache wieder auf, verteilten sich, so daß sich an jedem Punkt der Mauer einer befand, einer an jeder der Hauptmauern, wo sie in langsamer, unaufhörlicher Kadenz umherritten. Ihr Kreisen erinnerte an Raubvögel. Sie ritten Tag und Nacht, Geister aus grauem Nebel und düsteren Einbildungen, still wie Gedanken und so sicher wie die Zeit. »Inkarnationen der schlimmsten Feinde des Menschen«, grübelte Cogline, als er sie zum ersten Mal sah. »Manifestationen unserer schlimmsten Ängste, die Mörder so vieler, denen Gestalt und Form gegeben wurde und gesandt sind, um uns zu vernichten.« Er schüttelte den Kopf. »Kann es sein, daß Felsen-Dall Humor hat?«
Walker glaubte das nicht. Er fand nichts von alledem amüsant. Die Schattenwesen schienen grenzenlose, reine Kraft zu besitzen, die Art von Kraft, durch die sie zu allem werden konnten, was sie wollten. Sie war weder geheimnisvoll noch kompliziert. Sie war so direkt und schonungslos wie ein Fluß. Sie schien in der Lage zu sein, sich auf sich selbst aufzubauen und alles beiseite zu fegen, was sich ihr in den Weg
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