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Shannara VII

Titel: Shannara VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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und wunderte sich über die Launen des Schicksals. In diesen wenigen letzten Wochen hatte er soviel verloren. Welchen Sinn sollte das haben? Wo würde das alles enden? Jerle schüttelte den Kopf und strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht. Philosophische Fragen verwirrten ihn nur. Er war ein Krieger und dann am besten, wenn er gegen etwas kämpfen konnte. Aber wo war in dieser Sache der feste Kern? Wo war sein Fleisch und Blut? Er fühlte sich mitgenommen, äußerlich angeschlagen und innerlich hohl. Die Stimmung des Regens und des grauen Tages paßten dazu. Er war zurückgekehrt, um vor einem Nichts zu stehen, ohne Ziel, ohne erkennbare Zukunft, voller Leid und Schmerz.
    Am Tag seiner Rückkehr war er zu Tays Eltern und Kira gegangen und hatte ihnen von seinem Tod erzählt. Er hätte diese Aufgabe niemals jemand anderem übertragen. Tays Eltern, bereits alt und leicht verwirrt, hatten die Neuigkeiten ruhig und mit wenigen Tränen aufgenommen, sie sahen mit dem näherkommenden Ende des eigenen Lebens die grundsätzliche Unausweichlichkeit und Launenhaftigkeit des Todes. Aber Kira war am Boden zerstört gewesen. Weinend hatte sie sich in Jerles Arme geworfen, hatte ihn voller Verzweiflung festgehalten, eine Kraft in ihm gesucht, die er nicht besessen hatte. Er hatte sie im Arm gehalten und daran gedacht, daß sie für ihn genauso verloren war wie ihr Bruder. Sie hatte sich an ihn geklammert, ein Bündel aus Fleisch und Blut und Kleidern, so leicht wie die Luft und genauso körperlos, schluchzend und zitternd. In diesem Augenblick war ihm der Gedanke durch den Kopf geschossen, daß die Trauer um Tay alles war, was sie jemals teilen würden.
    Er wandte sich vom Feuer ab und starrte wieder aus dem Fenster. Grau und feucht schritt der Tag voran, und auch das stete Vergehen der Zeit konnte ihm keine Hoffnung geben.
    Die Vordertür öffnete und schloß sich wieder, ein Mantel wurde aufgehängt, und Preia Starle trat zu ihm. Nässe glitzerte auf ihrem Gesicht und ihren Händen, auf ihrer weichen, braunen Haut, die immer noch von den Schnitten und Schrammen ihrer Reise zu den Grimmzacken gezeichnet war, und in ihrem lockigen, zimtfarbenen Haar. Preia schaute ihn an, als wäre sie überrascht von dem, was sie sah.
    »Sie möchten, daß du ihr König wirst«, erklärte sie ruhig.
    Er starrte sie an. »Wer?«
    »Alle. Der Hohe Rat, die Berater des Königs, die Leute auf den Straßen, die Elfengarde, die Armee, einfach alle.« Sie lächelte müde. »Du bist ihre einzige Hoffnung, sagen sie. Alyten ist zu unzuverlässig, zu rücksichtslos für diese Aufgabe. Er hat keine Erfahrung. Es spielt keine Rolle, daß er bereits König ist; sie wollen, daß er abdankt.«
    »Aber es leben zwei Enkel! Was ist mit ihnen?«
    »Kinder, kaum alt genug, um laufen zu können. Außerdem wollen die Elfen keine Kinder auf dem Thron von Ballindarroch. Sie wollen dich.«
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie haben nicht das Recht, diese Entscheidung zu fällen. Niemand hat es.«
    »Du hast es«, sagte sie.
    Sie schritt zum Feuer. Sie bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze, und sie war ganz Anmut und Kraft. Er wunderte sich über die Leichtigkeit ihrer Bewegungen. Er wunderte sich über ihr Beherrschung. Er war erstaunt über ihre Kraft, selbst jetzt, angesichts all dessen, was geschehen war. Sie stand vor dem Feuer und rieb sich die Hände, um sie zu wärmen. Nach einiger Zeit hörte sie auf und starrte nur noch ins Feuer.
    »Ich habe heute eine Stimme gehört«, sagte sie. »Auf der Straße. Tays Stimme. Er rief mich, sagte meinen Namen. Ich hörte ihn ganz deutlich. Ich war so sehr bestrebt, ihn zu finden, daß ich mich umdrehte und mit einem Mann zusammenprallte, der hinter mir ging. Ich stieß ihn zurück, beachtete nicht, was er sagte, sondern suchte Tay.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Aber er war nicht da. Ich hatte es mir nur eingebildet.«
    Ihre Stimme erstarb in einem Flüstern. Sie drehte sich nicht um.
    »Ich kann immer noch nicht glauben, daß er tot ist«, sagte Jerle nach einem Augenblick. »Ich glaube immer noch, daß es ein Irrtum ist, daß er draußen ist und jeden Moment durch diese Tür hereinkommen wird.«
    Er schaute zum Eingang hin. »Ich will nicht König sein. Ich will, daß Tay wieder lebt. Ich will, daß alles wieder so wie früher ist.«
    Sie nickte wortlos und starrte immer noch ins Feuer. Sie konnten hören, wie der Regen auf das Dach und gegen die Fenster prasselte. Sie konnten das Wispern des

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