Shannara VII
Ich dachte, es wäre gut so, wie es war, es würde genügen, was wir miteinander teilten. Ich sperrte mich gegenüber Veränderungen oder Zweifeln.
Aber ich habe Tay verloren, und ein großer Teil von mir ging mit ihm. Ich habe meine Orientierung verloren und mein Ziel. Ich bin am Ende einer Straße angelangt, der ich eine Zeitlang gefolgt bin, und ich finde keine Möglichkeit umzukehren. Wenn du mich fragst, ob ich dich liebe, muß ich mich der Tatsache stellen, daß meine Liebe zu dir vielleicht alles ist, was mir geblieben ist. Das ist nicht wenig, aber auch kein Trost für meinen Schmerz. Es ist weit mehr als das. Ich komme mir dumm vor, wenn ich das sage, aber es ist die einzige Wahrheit, die ich anerkennen kann. Sie bedeutet mir mehr als alles andere in meinem Leben. Tay hat mich dies durch seinen Tod erkennen lassen. Es ist ein hoher Preis, aber so ist es.«
Er streckte beide Hände aus und legte sie sanft auf ihre Schultern. »Ich liebe dich, Preia.«
»Wirklich?« fragte sie still.
Er spürte, wie sich eine gewaltige Kluft zwischen ihnen auftat, als sie diese Worte sprach. Er spürte ein riesiges Gewicht auf seinen Schultern. Unbeholfen stand er vor ihr, unfähig, sich etwas anderes einfallen zu lassen. Seine Größe und Stärke hatten ihm bisher immer das Gefühl von Sicherheit gegeben, aber bei Preia schienen sie eher gegen ihn zu arbeiten.
»Ja, Preia«, sagte er schließlich. »Ich liebe dich wirklich. Ich liebe dich so sehr, wie ich überhaupt nur jemanden lieben kann. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Vielleicht eins - daß ich hoffe, du liebst mich immer noch.«
Selbst jetzt sagte sie noch nichts, sondern stand weiter reglos vor ihm und schaute ihm in die Augen. Ihre Tränen waren versiegt, aber ihr Gesicht war verschmiert und feucht. Ein winziges Lächeln ließ ihre Mundwinkel erzittern. »Ich habe niemals aufgehört, dich zu lieben«, flüsterte sie.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. Nach einer Weile umschlang auch sie ihn.
Sie saßen zusammen vor dem Feuer, als Vree Erreden wenige Stunden später erschien. Es war mittlerweile dunkel; das letzte Tageslicht war verblaßt und der heftige Dauerregen in leichten Nieselregen übergegangen, der geräuschlos auf den bereits durchtränkten Waldboden fiel. Stille hatte sich über die ermüdete Stadt gesenkt, und Lichter erschienen in den Fenstern von Gebäuden, die zwischen den Lücken aus wassertriefendem Buschwerk und Blättern kaum sichtbar waren. Niemand wohnte jetzt im Palast, das Gebäude stand leer, solange die Reparaturarbeiten verrichtet wurden. Nur im Sommerhaus war Leben. Selbst hier wachte die Elfengarde über Jerle, den sie sowohl als einen der ihren wie auch als ein Mitglied der königlichen Familie schützte, zumal die Gerüchte in ihm schon den zukünftigen König sahen.
Die Elfengarde hielt Vree Erreden dreimal auf, bevor er die Tür zum Sommerhaus erreichte, und sie ließ ihn nur deshalb ein, weil Jerle angeordnet hatte, daß dem Lokaten zu allen Zeiten freier Eintritt gewährt werden sollte. Es war seltsam, wie sich ihre Beziehung verändert hatte. Sie hatten wenig Gemeinsamkeiten, und Tays Tod hätte auch leicht jeden Anschein von Freundschaft im Keim ersticken können, denn während ihrer Reise nach Westen war der Druidenelf die Ursache ihrer Bindung gewesen. Jetzt, da Tay tot war, hätten sie auch auseinandergehen können, jeder mißtrauisch und verächtlich dem anderen gegenüber, jeder in sich selbst zurückgezogen.
Aber dies war nicht geschehen. Vielleicht hatte jeder von ihnen für sich allein die unausgesprochene Entscheidung gefällt, daß dies nicht geschehen sollte, daß sie Tay zumindest dies schuldeten. Vielleicht band sie das gemeinsame Bedürfnis aneinander, die schrecklichen Vorgänge während ihrer Reise zu verstehen, in dem Tod ihres Freundes etwas Gutes zusehen. Tay hatte sich für sie geopfert - sollten sie nicht um seinetwillen ihre Uneinigkeiten beiseite schieben? Sie hatten nach ihrer Rückkehr über vieles gesprochen - über das, was ihr Freund getan hatte, wie wichtig es für ihn gewesen war, den Auftrag Bremens auszuführen, über die tödliche Natur des Schwarzen Elfensteins und über seinen möglichen Platz in einem größeren Plan. Zusammen mit Preia Starle hatten sie darüber geredet, was Tay hatte erreichen wollen und wie sie dafür sorgen konnten, daß dem Folge geleistet wurde - wie Bremen den Schwarzen Elfenstein bekommen und die
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