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Shannara VII

Titel: Shannara VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Windes hören.
    Dann drehte Preia sich um und ging zurück zu Jerle. Reglos stand sie vor ihm. Er konnte den Blick nicht deuten, den sie ihm zuwarf. Er war so voller unterschiedlicher Gefühle, daß er sie nicht einzeln benennen konnte. »Liebst du mich?« fragte sie ihn frei heraus und sah ihm dabei in die Augen.
    Er war so erstaunt über diese Frage, so vollkommen überrascht, daß er keine Antwort darauf fand. Er starrte sie einfach nur mit offenem Mund an.
    Sie lächelte schwach, und es schien ihm, als wollte sie Anspruch auf etwas erheben, das ihm bisher entgangen war. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Wußtest du, daß Tay mich geliebt hat?«
    Er schüttelte langsam und verblüfft den Kopf. »Nein.«
    »So lange ich mich erinnern kann.« Sie hielt inne. »Genauso lange, wie du Kira liebst.« Schnell hob sie die Hand und legte einen Finger auf seine Lippen. »Nein, laß mich ausreden. Es muß einmal ausgesprochen werden. Tay hat mich geliebt, aber er hätte niemals etwas unternommen. Er sprach nicht einmal davon. Seine Treue dir gegenüber war so stark, daß er es nicht konnte. Er wußte, daß ich zu dir gehörte, und obwohl er sich nicht sicher über deine Gefühle war, tat er nichts, um sich einzumischen. Er war überzeugt, daß du mich liebest und mich heiraten würdest, und er hätte niemals seine Beziehung zu dir oder mir aufs Spiel gesetzt, um das zu ändern. Er wußte von Kira, aber er wußte auch, daß sie nicht die Richtige für dich war - auch wenn du selbst es nicht erkannt hast.«
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Die Tränen rannen ihr jetzt über die Wangen, aber sie beachtete sie nicht. »Es gab eine Seite in Tay Trefenwyd, die du niemals erkannt hast. Du hast sie nicht erkannt, weil du nicht richtig hingeschaut hast. Er war ebenso vielschichtig wie du. Ihr habt geglaubt, daß ihr euch kennen würdet, daß ihr den anderen verstehen würdet, aber das war nicht wirklich so. Ihr wart gegenseitig euer Schatten, aber so, wie sich der Schatten vom Körper unterscheidet, habt ihr euch voneinander unterschieden. Ich kenne den Unterschied. Ich habe ihn immer gekannt.«
    Sie schluckte. »Jetzt mußt auch du ihn akzeptieren. Und auch, was es bedeutet zu leben, während der Schatten tot ist. Tay ist tot, Jerle. Tay liebte mich, aber er ist tot. Liebst du mich ebenfalls? Liebst du mich ebenso stark? Oder wird Kira immer zwischen uns sein?«
    »Kira ist verheiratet«, antwortete er leise, mit brüchiger Stimme.
    »Kira lebt. Leben bedeutet Hoffnung. Wenn du sie nur verzweifelt genug willst, wirst du vielleicht einen Weg finden, wie du sie für dich gewinnen kannst. Ich habe einen der beiden wichtigsten Männer in meinem Leben verloren. Ich habe ihn verloren, ohne daß ich mir jemals die Zeit für ein solches Gespräch genommen habe, wie wir es jetzt führen. Ich mochte nicht, daß dies noch ein zweites Mal geschieht.«
    Sie hielt inne. Ihr war anzusehen, wie unbehaglich sie sich fühlte, aber sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich will dir etwas sagen. Wenn Tay mich gebeten hätte, zwischen euch beiden zu entscheiden, hätte ich vielleicht ihn gewählt.«
    Eine endlose Stille entstand. Ihre Blicke begegneten sich und hielten sich aneinander fest. Sie standen mitten im Raum, vollkommen reglos. Das Feuer in der Feuerstelle knisterte leise, und der Regen prasselte gegen die Scheibe. Die Schatten im Raum waren mit dem Einbruch der Nacht länger geworden.
    »Ich will dich nicht verlieren«, sagte Jerle ruhig.
    Preia antwortete nicht. Sie wollte mehr hören.
    »Ich habe Kira einmal geliebt«, gestand er. »Ich liebe sie immer noch, schätze ich. Aber es ist nicht mehr so wie früher. Ich weiß daß ich sie verloren habe, und ich trauere nicht mehr länger darum. Das habe ich seit Jahren schon nicht mehr getan. Ich habe sie gern. Ich denke an sie, wenn ich an Tay und unsere Kindheit denke. Sie war ein Teil davon, und ich wäre dumm, wenn ich versuchte, mir einzureden, daß es anders sei.«
    Er holte tief Luft. »Du hast mich gefragt, ob ich dich liebe. Ja, das tue ich. Ich habe noch niemals bewußt darüber nachgedacht - ich habe es einfach immer so hingenommen. Ich glaubte vermutlich, daß du immer da sein würdest, und habe jeden Gedanken daran als unnötig beiseite geschoben. Warum sollte ich über etwas nachdenken, das so offensichtlich war? Es schien keine Notwendigkeit dafür zu geben. Aber das war falsch. Ich erkenne das jetzt. Ich habe dich für selbstverständlich gehalten, ohne es auch nur zu merken.

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