Shannara VII
und brauchte kein Licht, um seinen Weg zu finden. Er hörte seine Feinde hinter sich, und als er am Ende des ersten Ganges angekommen war, drehte er sich nur so lange um, wie er benötigte, um den Tunnel von einem Ende zum anderen in Flammen aufgehen zu lassen. Das würde ihre Geschwindigkeit ein wenig herabsetzen, nichts weiter. Aber er benötigte auch nicht mehr.
Wenige Augenblicke später trat er durch eine gewaltige, eisenbeschlagene Tür, schloß sie hinter sich und verriegelte sie gegen weitere Verfolgung. Jetzt würden sie ihn nicht mehr bekommen. Nicht in dieser Nacht. Aber nur zu deutlich hatte er gespürt, daß er beim nächsten Mal vielleicht nicht soviel Glück haben würde.
Er wischte sich das Blut ab, das in seine Augen rann, und spürte den Schmerz der klaffenden Wunde an seiner Stirn. Er war nicht ernstlich verletzt. Später war Zeit genug, sich darum zu kümmern. Raybur und die anderen würden irgendwo weiter hinten im Tunnel auf ihn warten. Risca kannte den Zwergenkönig und wußte, daß Raybur ihn nicht im Stich lassen würde. Freunde taten so etwas nicht.
Er schluckte und kämpfte gegen das trockene Gefühl in seinem Hals.
Was konnte also mit Tay Trefenwyd und den Elfen geschehen sein?
Die Nacht breitete sich wie eine weiche, warme Decke über Arborlon aus. Es hatte aufgehört zu regnen. Jerle Shannara stand am vorderen Fenster des Sommerhauses und wartete auf den Sonnenaufgang. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen; Zweifel hatten ihn befallen, deren Grund er in dem Verlust von Tay Trefenwyd sah. Die Vorstellung dessen, wie es hätte sein können und wie es jetzt sicherlich sein würde, quälte ihn und machte ihn unruhig. Er befand sich auf dem Höhepunkt einer Entwicklung, die einige Wochen zuvor begonnen hatte und mit dem Heranbrechen des nächsten Tages enden würde, und er konnte die Verzweiflung nicht abschütteln, die ihn bei dem Gedanken beschlich, daß Umstände und Glück sein Schicksal in einer Art und Weise bestimmten, wie er es niemals hätte vorausahnen und jetzt auch nicht würde ändern können.
»Komm her, mein Lieber.« Preia Starle rief ihn von der dunklen Halle her. Sie stand da und hatte die Arme schützend um sich gelegt.
»Ich habe gerade nachgedacht«, erwiderte er wie aus weiter Ferne.
Sie ging zu ihm, legte die Arme um seine Taille und drückte ihn an sich. »Du denkst in der letzten Zeit viel zuviel nach.«
Das stimmte, dachte er. Vorher war es nicht so gewesen, nicht, als Tay noch am Leben war, bevor der Dämonenlord gekommen und das Unglück über die Elfen hereingebrochen war. Damals war er freier gewesen, es hatten ihn noch keine Verantwortungen und Verpflichtungen von größerer Bedeutung gefesselt, sein Leben und seine Zukunft hatten noch ihm gehört, und er hatte zwischen allen Möglichkeiten der Welt wählen können. Wie schnell das doch anders geworden war!
Er legte eine Hand auf die ihre. »Ich möchte immer noch nicht König werden.«
Aber er würde König werden, beim nächsten Tageslicht. Bei Sonnenaufgang würde er gekrönt werden, in einer Zeremonie nach der Tradition der Elfenkönige, die noch aus der Zeit der Feen herrührte. Es war längst beschlossene Sache, entschieden durch Ereignisse, die mit dem Attentat auf Courtann Ballindarroch begonnen und in dem Tod seines letzten Sohnes ihren Höhepunkt gefunden hatten. Wochenlang hatten die Elfen noch die Hoffnung gehabt, daß der Erbe des Königs von der unklugen Suche nach den Mördern seines Vaters zurückkehren würde. Aber Alyten war ein dreister und dummer Junge und hätte niemals nach dem Unheil suchen sollen, das er schließlich aufspürte. Die Nordländer hatten ihn erwartet; sie hatten darauf gehofft, daß er sie suchen würde. Sie hatten dazu beigetragen, daß er über sie stolperte, hatten sich in einen Hinterhalt gelegt und ihn schließlich getötet. Er war von den wenigen seiner Männer, die überlebt hatten, zurück nach Hause gebracht worden, der letzte echte Erbe des Thrones der Ballindarroch-Familie und gleichzeitig Jerle Shannaras letzte Hoffnung, daß die Elfen nicht auf ihn angewiesen wären.
Genauso war es nun aber. Viele hätten Alyten ohnehin niemals als Herrscher gebilligt. Die Nordländer drohten ihnen wieder, sie beanspruchten jetzt die gesamte Streleheimebene und würden ihnen damit jeden möglichen Kontakt mit anderen Ländern und deren Bewohnern nehmen. Nur zu bald würden die Feinde ins Westland einmarschieren - daran bestand kaum ein Zweifel. Sie warteten
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