Shannara VII
und beginnen zu verzweifeln. Wir können nicht einfach nur dasitzen und warten, bis sie so groß geworden ist, daß sie uns mit einem Mal verschlucken kann. Wir können nicht dasitzen und auf den unausweichlichen Angriff warten. Wir müssen die Schlacht zu ihnen tragen, jetzt, zu unseren Bedingungen, zu einer Zeit unserer Wahl - wenn wir dazu bereit sind und nicht sie.«
»Schön und gut«, sagte Kier Joplin ruhig. Er war klein und kompakt und hatte flinke, dunkle Augen. »Aber mit welchem Teil der Armee willst du diesen Angriff durchführen? Die Dunkelheit wird uns helfen, aber die Pferde werden von weitem zu hören sein, und die Fußsoldaten werden in Stücke gerissen werden, ehe sie sich in Sicherheit bringen können.«
Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Jerle nickte. »Du hast die gleichen Gedanken, wie ich sie hatte. Was aber, wenn der Feind uns nicht finden kann? Wenn wir unsichtbar werden, sobald sie glauben, sie haben uns? Wenn wir nach und nach angreifen, ein Schlag hier, einer dort, aber ihnen niemals mehr als ein paar Handgemenge liefern?«
Jetzt war es vollkommen still. »Wie willst du das machen?« fragte Joplin schließlich.
»Ich werde es euch erklären. Aber vorher möchte ich, daß ihr meiner Idee grundsätzlich zustimmt. Ich bin überzeugt, daß wir etwas tun müssen, wenn wir das Vertrauen unserer Krieger in sich stärken wollen. Ich sehe, wie es erlahmt. Ist meine Einschätzung falsch?«
Wieder trat Stille ein. »Nein, du hast recht«, sagte Joplin schließlich.
»Kier, du hast auf die Gefahr hingewiesen, die ein Angriff in sich birgt. Jetzt möchte ich, daß ihr die möglichen Vorteile bedenkt. Wenn wir sie überraschen, sie stören und belästigen, vielleicht sogar ein bißchen verletzen, gewinnen wir Zeit und Vertrauen. Hier sitzen zu bleiben, bringt uns weder das eine noch das andere.«
»Zugegeben«, sagte Cormorant Etrurian schnell. Er hatte ein schmales Gesicht; ein hagerer Mann, der sich in den Grenzkriegen bewährt hatte. Er war früher Adjutant des alten Apt gewesen. »Auf der anderen Seite wäre eine Niederlage zu diesem Zeitpunkt verheerend. Es könnte auch sein, daß sie dann noch früher angreifen.«
»Du hast vielleicht auch unrecht, wenn du glaubst, daß sie uns nicht erwarten«, stimmte Cormorants alter Mentor ein. »Wir wissen nicht, was mit den Zwergen geschehen ist. Und wir stehen einer kampferprobten Armee gegenüber, die vielleicht mehr Tricks kennt als wir.«
»Wir sind deutlich in der Unterzahl«, fügte Etrurian mißmutig hinzu. »Mylord, diese Taktik ist einfach zu gefährlich.«
Jerle nickte bei jedem neuen Kommentar und wartete, bis seine Zeit gekommen war. Er wartete, bis sie alle ihre Einwände vorgebracht hatten. Er warf einen Blick auf Preia, die ihn ernst ansah, dann auf Bremen, dessen ausdruckslose Miene nichts von dem enthüllte, was er dachte. Er schaute von einem Gesicht zum nächsten, versuchte herauszufinden, auf welche der Anwesenden er sich fest verlassen konnte. Auf Preia selbstverständlich. Aber die anderen, seine Befehlshaber ebenso wie Bremen, waren noch zu keinem Entschluß gekommen, oder sie hatten sich gegen ihn entschieden. Er wollte ihnen nichts aufzwingen, wenn sie nicht dafür waren, ob er nun König war oder nicht. Aber eine tiefe Entschlossenheit hatte ihn ergriffen. Wie also sollte er sie überzeugen?
Die Stimmen der anderen verklangen. Jerle Shannara richtete sich auf. »Wir sind Freunde, wir alle hier«, begann er. »Wir arbeiten auf das gleiche Ziel hin. Ich weiß, welch gewaltige Aufgabe vor uns liegt. Wir sind alles, was noch zwischen dem Dämonenlord und der Zerstörung der Vier Länder steht. Vielleicht sind wir bereits die letzte Streitmacht, die noch Kraft genug besitzt, sich ihm entgegenzustellen. Vorsicht ist also notwendig. Aber wir müssen auch Risiken eingehen. Es kann keinen Sieg geben ohne Risiko - schon gar nicht hier, an diesem Ort, zu dieser Zeit, gegen diesen Feind. Risiken bestehen bei jedem Kampf, wir können das nicht ignorieren. Wir können uns nur anstrengen, es so gering wie möglich zu halten.«
Er ging zu Rustin Apt und kniete vor ihm nieder. Die erfahrenen, harten Augen des Befehlshabers blickten verwirrt drein. »Was wäre, wenn ich euch einen Weg zeigen würde, wie wir den Feind bei Nacht angreifen könnten? Einen sehr erfolgversprechenden Weg, bei dem nur wenige von uns gefährdet wären, und durch den wir, sollten wir erfolgreich sein, den Feind genug verstören würden, um sowohl das Vertrauen der
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