Shannara VII
darauf bestand, dass Angst und Misstrauen unberechtigt seien, dass Walker ein Historiker und ein Akademiker sei und dass der Druide vor allem als Einziger die Fähigkeit besitzen könnte, die Zeichnungen und Wörter dieser Karte zu entziffern.
Nachdem Hunter Predd kurz darüber nachgedacht hatte, übernahm er die Aufgabe, nicht aus Pflichtgefühl oder Sorge oder aus irgendwelchen Gefühlen für den Elfenkönig, die eher an Desinteresse grenzten. Er übernahm sie nur deswegen, weil der König ihm versprochen hatte, als Belohnung für seine Mühen würde eine Insel südwestlich des Irrybisgebirges in den Besitz des Wing Hove übergehen, welche die Flugreiter schon lange begehrten. Ein fairer Preis, dachte Hunter, als er das Angebot hörte. Die Gelegenheit war gut, der Lohn war es wert, und das Risiko erschien nicht übermäßig groß.
Eigentlich sah er überhaupt kein Risiko, ganz gleich, aus welchem Blickwinkel er es betrachtete. Möglicherweise erzählte ihm der Elfenkönig nicht alles; ja, im Grunde war sich Hunter Predd dessen sicher. So waren Herrscher nun einmal. Trotzdem hätte der König nichts gewonnen, wenn er ihn in den Tod schickte. Bestimmt wollte Allardon Elessedil erfahren, was denn nun auf der Karte stand - insbesondere, wenn der Schiffbrüchige, bei dem er sie gefunden hatte, tatsächlich sein Bruder war. Ein Druide wäre vielleicht in der Lage, das herauszufinden, wenn er tatsächlich so gebildet war, wie der König behauptete. Hunter Predd kannte keinen Flugreiter, der je persönlich mit diesem Druiden zu tun gehabt hätte. Auch hatte er von keinem seiner Leute scharfe Worte gegen ihn gehört. So wägte er Gefahren und Belohnung gegeneinander ab und kam zu dem Schluss, die Gelegenheit wahrzunehmen sei wirklich das Beste.
Also brach er auf, verließ Arborlon zur Mittagszeit mit Obsidian und machte sich nach Osten in Richtung Streleheim auf. Er überquerte die Ebene und glitt über Callahorn und die Drachenzähne hinweg, wo er eine schmale, verschlungene Schlucht in den zerklüfteten Gipfeln suchte, die zu Fuß unpassierbar gewesen wäre, seinem Rock jedoch gerade ausreichend Platz bot. Bald ließ er die Berge hinter sich, glitt über die Baumwipfel von Paranor dahin. Nachdem er den Wald erreicht hatte, ließ er Obsidian an einem kleinen See landen, trinken und ausruhen. Während er wartete, blickte er über den See zum anderen Ufer, wo sich die Bäume zu einer dunklen Mauer zusammendrängten. Er verspürte wie so oft Mitleid für jene, die gezwungen waren, ihr Leben auf dem Boden zu verbringen.
Kurz vor Sonnenuntergang kam die Druidenburg in Sicht. Es war nicht schwierig, sie aus der Luft zu entdecken. Sie stand auf einem Berg tief im Wald, und die Spitzen und Zinnen hoben sich scharf gegen die untergehende Sonne am Horizont ab. Man konnte die Festung schon aus einer Entfernung von vielen Meilen sehen; die Steinmauern und die spitzen Dächer, die in den Himmel ragten, bildeten eine dunkle und gewaltige Präsenz. Allardon Elessedil hatte Hunter den Keep in allen Einzelheiten beschrieben, bevor dieser aufgebrochen war, doch der Flugreiter hätte ihn auch so erkannt. Es war ein Ort, über den dunkle Gerüchte kursierten, eine Zuflucht des Letzten eines Rates, dem alle misstrauten und den alle fürchteten.
Obsidian landete sanft am Fuße des Berges, auf welchem der Keep stand. Schatten uralter Bäume überlagerten das Land, während die Sonne im Westen unterging. Nur der Keep selbst war noch immer in Licht getaucht und erhob sich aus dem Wald und aus den Schatten, überragte still und in der Zeit erstarrt die Umgebung. Der Flugreiter betrachtete ihn voller Zweifel. Es wäre leichter, mit Obsidian zur Spitze der Erhebung zu fliegen, doch er wagte es nicht, so dicht an den Mauern zu landen. Hier boten die Bäume dem Rock ein wenig Schutz, und außerdem gab es Platz genug für eine rasche Flucht. Ein Flugreiter hatte stets vor allem die Sicherheit seines Tieres im Auge.
Er pflockte den Rock nicht an und setzte ihm auch keine Haube auf; Rocks waren so ausgebildet, dass sie dort blieben, wo man sie zurückließ, und sie kamen, wenn man sie rief. So ließ er Obsidian am Fuß der Erhebung und am Rand der Bäume und begann den kurzen Aufstieg. Er erreichte die hoch aufragenden Mauern, als das letzte Sonnenlicht verschwunden war und der Keep in Schatten gehüllt wurde. Nun starrte er nach oben und suchte nach Lebenszeichen. Da er keine fand, ging er zum nächsten Tor, das verriegelt und verrammelt war.
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