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Shannara VII

Titel: Shannara VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Stunden bis zum Sonnenaufgang verbringen, denn erst dann konnte er die Geister der Toten anrufen.
    Als die Nacht hereinbrach, traten sie das Feuer aus und wickelten sich in ihre Decken, um noch möglichst viel Schlaf zu bekommen.
    »Mach dir nicht solche Sorgen, Kinson«, flüsterte Bremen, als er einmal an dem Grenzländer vorbeiging und den Ausdruck auf dessen Gesicht sah.
    Aber der Rat war vergeblich. Kinson Ravenlock war bereits einmal am Hadeshorn gewesen, und er wußte, was ihn erwartete.
    Kurz nach Mitternacht führte Bremen sie in die Gebirgsausläufer der Drachenzähne, zwischen die das Tal von Shale gebettet war. Als sie über die Felsen kletterten, war die Nacht so schwarz, daß sie kaum mehr erkennen konnten, ob jemand vor ihnen ging. Dicke, tiefhängende Wolken waren nach Sonnenuntergang aufgekommen, und schon seit Stunden waren der Mond und die Sterne verschwunden. Bremen führte die Gruppe an, er war vorsichtig, auch wenn ihm das Gebiet, durch das sie gingen, bereits so vertraut war wie der Rücken seiner Hand. Während sie marschierten, sprach er kein Wort zu den anderen, sondern konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag, und auf das, was ihn später erwarten würde, immer bestrebt, jeden Fehltritt jetzt oder später zu vermeiden. Denn ein Treffen mit den Toten erforderte entsprechende Voraussicht und Umsicht, und er würde seinen ganzen Mut zusammennehmen und seine Entschlossenheit stärken müssen, um jeden Zweifel, jedes Zaudern auszuschließen. War der Kontakt erst einmal hergestellt, konnte auch eine noch so kleine Unaufmerksamkeit ihrer aller Leben bedrohen.
    Als sie ihr Ziel erreicht hatten, waren es immer noch einige Stunden bis zur Dämmerung. Sie machten am Rand des Tals Rast und starrten in das breite, flache Becken unter sich. An den Rändern war es mit Felsstücken übersät, die selbst in der tiefen Düsternis schwarz glitzerten und das merkwürdige Licht des Sees reflektierten. Breit und undurchsichtig präsentierte sich der Hadeshorn in der Mitte der Schüssel, seine ruhige, glatte Oberfläche leuchtete mit einem inneren Glanz, als würde in den Tiefen des Sees seine Seele pulsieren. Ruhig und leblos lag er im Tal von Shale, jeder Bewegung bar und ohne einen Laut. Wie ein schwarzes Loch wirkte er, ein Auge, das in die Welt der Toten hinabsah.
    »Wir werden hier warten«, erklärte Bremen, während er sich auf einen niedrigen Felsblock setzte. Seinen Umhang hatte er wie ein Leichentuch um seine dünne Gestalt gewickelt.
    Die anderen nickten, blieben jedoch stehen und starrten noch eine Zeitlang ins Tal hinab; sie konnten sich von dem Anblick nicht losreißen. Bremen ließ sie gewähren. Sie spürten, wie die bedrückende Stille des Tals auf ihnen lastete. Nur Kinson war bereits einmal hier gewesen, und selbst er war nicht auf das vorbereitet, was er jetzt empfand. Bremen verstand das. Der Hadeshorn würde ihnen einen Ausblick auf das geben, was sie erwartete, einen Blick in die Zukunft, der sie nicht entrinnen konnten, einen beängstigenden, dunklen Blick auf das Ende ihres Lebens. Er bot ihnen aber keine erkennbaren Worte, sondern nur Wispern und leichtes Gemurmel - er enthüllte zu wenig, um Klarheit zu verschaffen, und gerade genug, um sie innehalten zu lassen.
    Der alte Mann war jetzt zweimal hier gewesen, und jedes einzelne Mal hatte ihn für immer verändert. Eine Begegnung mit den Toten brachte ihm Wahrheiten und Weisheiten, aber es war auch ein Preis dafür zu zahlen. Man konnte nicht die Zukunft berühren und danach einfach fliehen. Man konnte nicht den Blick aufs Verbotene richten und verhindern, daß man geblendet wurde. Bremen erinnerte sich an die Kälte, die anschließend bis in seine Knochen gedrungen war und ihn wochenlang nicht mehr verlassen hatte. Er erinnerte sich an die tiefe Sehnsucht nach dem, was er in den vergangenen Jahren versäumt hatte und niemals würde zurückholen können. Selbst jetzt ängstigte ihn die Möglichkeit, irgendwo von dem schmalen Pfad abzukommen, der ihm den verbotenen Kontakt gestattete; er hatte Angst, von der Leere verschluckt und zur Existenz einer Kreatur zwischen Leben und Tod verdammt zu werden - nicht ganz das eine, aber auch nicht das andere.
    Aber weit mehr Gewicht als seine Ängste und Zweifel hatte sein Bedürfnis zu erfahren, wie der Dämonenlord zerstört werden konnte, welche Möglichkeiten und Chancen ihnen in ihrem Bemühen blieben, die Rassen zu retten, und welche Geheimnisse der Vergangenheit und Zukunft den Lebenden

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