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Shannara VII

Titel: Shannara VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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voran, da seine Füße auf ebenem Gelände mehr Halt fanden. Vor ihm glitzerte der Hadeshorn silbrig. Bremen konnte die Toten riechen, ihren unverwechselbaren Moder, die trockene, übelriechende Verwesung. Er war versucht, sich umzudrehen und nach den anderen zu schauen, aber er wußte, er durfte sich nicht einmal diese kleine Ablenkung erlauben. Er ging bereits das Ritual durch, dem er folgen mußte, seit er in die Nähe des Seeufers geraten war - bestimmte Worte, Zeichen, Beschwörungsakte, die die Toten dazu bringen würden, mit ihm zu sprechen. Er stärkte sich innerlich gegen ihre lähmende Gegenwart.
    Viel zu schnell stand er am Rand des Sees, eine zerbrechliche, kleine Gestalt in einer gewaltigen Kulisse aus Fels und Himmel, ein Bündel aus vertrockneter Haut und alten Knochen, dessen stärkster Teil seine Entschlossenheit, sein sturer Wille waren. Hinter sich konnte er das Grollen des herannahenden Donners hören. Die Wolken über ihm begannen unruhig zu werden, sie wurden durch den regenführenden Wind aufgewühlt. Unter seinen Füßen spürte er das Beben der Erde, als die Geister seine Gegenwart wahrnahmen.
    Er sprach leise zu ihnen, erzählte ihnen, wer er war, seine Geschichte, den Grund, warum er mit ihnen sprechen wollte. Mit seinen Händen und Füßen vollführte er die angemessenen Gesten, die die Toten in die Welt der Lebenden bringen würden. Er sah ihre Antworten in den Bewegungen des Wassers und beschleunigte sein Vorgehen. Er war zuversichtlich und bereit; er wußte, was folgen würde. Zuerst kam das Flüstern, weich und wie aus weiter Ferne erhoben sich die Töne, wie unsichtbare Blasen entstiegen sie dem Wasser. Dann setzten die Schreie ein, lang anhaltend und tief. Sie wurden lauter, und aus den anfänglich wenigen wurden viele, und immer noch nahmen sie an Intensität und Ungeduld zu. Die Wasser des Hadeshorn brodelten vor Unzufriedenheit und Not, und bald schon waren sie ebenso aufgewühlt wie die Wolken über ihnen, in Aufruhr gebracht durch ihren eigenen Sturm. Bremen machte ihnen Zeichen, er bat sie um Antwort. Jetzt kam ihm zugute, was er während des Studiums bei den Elfen gelernt hatte - wie auf einem Felsen in der Brandung konnte er darauf die Magie errichten, mit der er die Geister herbeirief. Antwortet mir, rief er ihnen zu. Öffnet euch mir. Gischt schoß aus der Mitte des inzwischen heftig aufgewühlten Sees empor, erhob sich zu einer Fontäne, fiel in sich zusammen, erhob sich wieder. Tief in der Erde erklang ein Rumpeln, ein unruhiges Stöhnen. Bremen spürte, wie sich erste Spuren von Zweifel in sein Herz stahlen, und nur mit großer Mühe konnte er sich dazu zwingen, sie zu ignorieren. Er spürte, wie sich ein Vakuum um ihn herum bildete, sich vom See ausbreitete und daranmachte, das gesamte Tal zu umfassen. In diesem Vakuum würden nur die Toten erlaubt sein - die Toten und derjenige, der sie gerufen hatte.
    Dann begannen die Geister, sich aus dem See zu erheben: kleine weiße Lichtfäden, die nur eine verschwommen menschliche Form besaßen; Umrisse, die vor dem schwarzen Hintergrund der bewölkten Nacht wie Glühwürmchen schimmerten. Schlangenähnlich wanden sich die Geister aus dem Nebel und der Gischt empor, lösten sich von der finsteren, toten Atmosphäre, die jetzt ihr Zuhause war, um für kurze Zeit die Welt zu besuchen, die sie einst bewohnt hatten. Bremen reckte seine Arme in einer abwehrenden Geste; er fühlte sich verwundbar und machtlos, obwohl er die Geister herbeigerufen hatte, obwohl er sie ins Leben gebracht hatte. Ein Kälteschauer rann über seine spröden Glieder, Eiswasser floß durch seine Adern. Er blieb fest gegen die Angst, die ihn durchströmte, gegen das Flüstern, das anklagend fragte: Wer ruft uns? Wer wagt es?
    Dann zerriß in der Mitte des Sees etwas Gewaltiges die Wasseroberfläche, eine schwarzumhüllte Gestalt, die alle anderen glühenden Umrisse klein erscheinen ließ, sie zersprengte, ihr zartes Licht aufsaugte und sie wie Blätter im Wind taumelnd und tanzend zurückließ. Die verhüllte Gestalt erhob sich und stand jetzt auf den dunklen, wirbelnden Wellen des Hadeshorn, kaum eine materielle Gestalt, eher ein Gespenst ohne Fleisch und Knochen, aber dennoch von festerem Stoff als die kleineren Wesen, die es überragte.
    Bremen wappnete sich innerlich, als die dunkle Gestalt sich ihm näherte. Sie war es, die er hatte sehen wollen, sie war es, die er gerufen hatte. Dennoch war er nicht mehr sicher, ob er das Richtige getan hatte. Die

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