Shannara VII
verborgen, den Toten jedoch zugänglich waren. Dieses Bedürfnis war so stark, daß Bremen einfach gezwungen war, entsprechend zu handeln. Ja, es war gefährlich, diesen Kontakt herzustellen. Ja, er würde nicht unversehrt daraus hervorgehen. Aber am Ende wäre selbst sein Tod ein annehmbarer Preis, wenn sein Feind damit besiegt werden konnte.
Die anderen hatten sich jetzt vom Anblick des Tals fortgerissen und kamen zu Bremen, um sich ebenfalls hinzusetzen. Er schenkte jedem einzelnen ein zuversichtliches Lächeln und winkte den beunruhigten Kinson näher zu sich heran.
»In der letzten Stunde vor Morgenanbruch werde ich ins Tal hinuntergehen«, erklärte er ruhig. »Wenn ich dort angekommen bin, werde ich die Geister der Toten anrufen und sie bitten, mir etwas aus der Zukunft zu zeigen. Ich werde sie bitten, mir die Geheimnisse zu enthüllen, die uns helfen können, den Dämonenlord zu zerstören. Ich werde sie bitten, uns jede Form von Magie zu geben, die uns helfen könnte. Dies alles muß schnell geschehen, innerhalb der kurzen Zeitspanne bis zum Sonnenaufgang. Ihr werdet hier auf mich warten. Auf keinen Fall werdet ihr in das Tal hinabsteigen, ganz gleich was geschieht. Ihr werdet keinen Finger rühren bei dem, was ihr seht, auch wenn es euch so scheint, als müßtet ihr handeln. Ihr dürft nichts anderes tun als warten.«
»Vielleicht sollte dich einer von uns begleiten«, bot Risca geradeheraus an. »Selbst den Toten gegenüber ist man zu mehreren vielleicht sicherer. Wenn du mit ihren Geistern sprechen kannst, können wir es auch. Wir sind alle Druiden, abgesehen von dem Grenzländer.«
»Daß ihr Druiden seid, spielt keine Rolle«, sagte Bremen sofort. »Es ist zu gefährlich für euch. Dies ist etwas, das ich alleine tun muß. Ihr werdet hier warten. Versprich mir das, Risca.«
Der Zwerg warf ihm einen langen, verärgerten Blick zu, dann nickte er. Bremen wandte sich an die anderen. Einer nach dem anderen nickte zögernd. Mareths Augen begegneten seinem Blick in stillem Einverständnis.
»Du bist überzeugt, daß es notwendig ist?« drängte Kinson leise.
Die Falten in Bremens gealtertem Gesicht vertieften sich sogar noch ein wenig, als er die Augenbraue hochzog. »Wenn ich mir etwas anderes vorstellen könnte, das uns weiterhilft, würde ich diesen Ort sofort verlassen. Ich bin kein Narr, Kinson. Und auch kein Held. Ich weiß, was es bedeutet, hierherzukommen. Ich weiß, daß es mich verletzen wird.«
»Dann…«
»Aber die Toten sprechen zu mir, wie es die Lebenden nicht können«, schnitt Bremen ihm das Wort ab. »Wir brauchen ihre, Weisheit und ihr Wissen. Wir brauchen ihre Visionen, so fehlerhaft und unverständlich sie manchmal auch sein mögen.« Er holte tief Luft. »Wir müssen mit ihren Augen sehen. Wenn ich etwas von mir aufgeben muß, um dieses Wissen zu bekommen, dann soll es so sein.«
Sie waren jetzt still; verloren in ihre jeweiligen Gedanken ließen sie sich Bremens Worte und die Bedenken, die sie hervorriefen, durch den Kopf gehen. Aber sie konnten es nicht ändern. Er hatte ihnen alles Notwendige erklärt, und es gab nichts mehr zu sagen. Sie würden es vielleicht besser verstehen, wenn diese Angelegenheit vorüber war.
Also saßen sie im Dunkeln und blickten verstohlen auf die glänzende Oberfläche des Sees, lauschten der Stille und warteten darauf, daß der Morgen näherrückte.
Als es dann endlich soweit war und er gehen mußte, stand Bremen auf, blickte mit einem kleinen Lächeln zu seinen Begleitern und ging wortlos davon, hinunter in das Tal von Shale.
Auch diesmal kam er nur langsam voran. Er war diesen Weg schon zweimal gegangen, aber das Gelände war zu tückisch, und so nützte ihm die Vertrautheit nicht viel. Der Fels unter seinen Füßen war beinahe an jeder Stelle schlüpfrig und lose, und die Kanten waren scharf und schnitten ihm in die Haut, wenn er nicht achtgab. Er wählte seinen Weg sehr bedächtig, tastete sich bei jedem Schritt vorsichtig vor. Seine Schuhe knirschten auf dem Fels und erzeugten ein Geräusch, das in der tiefen Stille widerhallte. Im Westen, wo die Wolken sich am dichtesten zusammenballten, grollte unheilverkündend der Donner und kündigte einen Sturm an. Im Tal selbst ging kein Wind, aber der Geruch nach Regen durchdrang die stille Luft. Bremen schaute auf, als ein Blitz über den schwarzen Himmel zuckte und sich dann weiter nördlich vor dem Hintergrund der Berge wiederholte.
Er erreichte den Grund des Tals und kam jetzt etwas schneller
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