Shannara VII
niemals in dieser Häufigkeit. Wenn man sie hat, darf man sie nicht ignorieren. Wir sind miteinander verbunden, du und ich - unsere Schicksale sind auf eine Weise verwoben, dass wir sie nicht trennen dürfen. Was dem einen geschieht, stößt auch dem anderen zu.«
Sie schaute ihn feierlich an, wobei sie das dünne, bleiche Gesicht fragend verzog, als verstehe sie nicht, weshalb er ihre Worte nicht akzeptierte. Walker für seinen Teil war von ihrer Entschlossenheit verwirrt.
»Du warst bei der Addershag in der Lehre?«, erkundigte er sich und wechselte das Thema. »Warum hast du sie verlassen?«
Erneut gestikulierte sie mit den dünnen Händen. »Sie war mir gegenüber sehr misstrauisch. Die Art, wie ich meine Gabe einsetzte, betrachtete sie ebenfalls mit Misstrauen. Ich bin eine Seherin und gleichzeitig ein Empath. Beide Talente sind sehr stark in mir, und ich finde die Notwendigkeit, auch beide zu benutzen, zu zwingend, um sie zu ignorieren. Wenn ich manchmal die eine Gabe benutzte, um die andere zu beeinflussen, schrie mich die Addershag an. ›Du darfst nichts verändern, was so sein soll, wie es sein wird!‹, kreischte sie. Doch wenn ich jemanden von seinen Schmerzen befreien kann, indem ich die Zukunft deute, wem schadet das? Ich habe darin nichts Unrechtes gesehen.«
Walker starrte sie an. »Du liest die Zukunft, stellst fest, dass ein Ereignis eintreffen wird, dann benutzt du deine empathischen Fähigkeiten, um den Schmerz zu lindern, der bei den Betroffenen daraus resultiert?« Walker versuchte sich das vorzustellen, was ihm jedoch nicht gelang. »Wie oft kannst du das machen?«
»Nur gelegentlich. Manchmal wirken meine Gaben auch in umgekehrter Reihenfolge. Dann komme ich zu jemandem, der bereits unter Schmerzen leidet, sehe die Zukunft, die ihm dieses Leiden bereiten wird, und greife ein, um sie zu verändern. Diese Fähigkeit habe ich nicht perfektioniert, und ich setze sie nicht ohne die nötige Umsicht ein. Die Addershag hingegen misstraute meiner empathischen Seite ganz und gar und glaubte, sie würde meine Seherinnenaugen beeinträchtigen. Vielleicht hatte sie Recht. Beide Fähigkeiten gehören zu mir, und ich kann sie nicht voneinander trennen. Bereitet dir das Sorge?«
Walker wusste es nicht. Vor allem beunruhigte ihn seine eigene Unsicherheit der jungen Frau gegenüber. Sie schien davon überzeugt zu sein, dass sie ihn begleiten würde, während er noch mit sich rang, ob er sie überhaupt um Rat fragen sollte.
»Du bist dir meiner nicht sicher«, sagte sie. Er nickte, da er keinen Grund sah, es ihr zu verheimlichen. »Du brauchst nicht zu fürchten, dass ich nicht zu dem in der Lage bin, was notwendig ist. Schließlich bist du ein Druide, und der Instinkt eines Druiden betrügt ihn nie. Vertraue auf das, was dir dein Instinkt über mich rät.«
Sie trat einen Schritt vor. »Ein Empath kann dir Frieden geben, den du auf andere Weise nicht zu finden vermagst. Gib mir deine Hand.«
Ohne nachzudenken reichte er sie ihr, und sie ergriff sie. Ihre Hände waren sanft und warm und umschlossen seine kaum. Sie strich mit den Fingern langsam über seine Handfläche und schloss die Augen. »Du leidest unter solchem Schmerz, Walker«, sagte sie. Er fühlte ein Kribbeln, welche sich gemächlich in schläfrige Ruhe verwandelte, dann plötzlich in aufbegehrende Euphorie. »Du fühlst dich von allen Seiten bedrängt, eine Möglichkeit nach der anderen geht dir verloren, deine Bürde ist bald zu schwer, um sie noch zu tragen. Du hasst dich selbst für das, was du bist, weil du glaubst, du solltest nicht so sein…«
Er riss seine Hand los, trat zurück und war geschockt, wie leicht sie ins Innerste seines Herzens geschaut hatte. Sie schlug die Augen auf und starrte ihn erneut an. »Ich könnte dich von all diesen Schmerzen befreien, wenn du mich nur ließest«, flüsterte sie.
»Nein«, entgegnete er. Er fühlte sich auf eine Weise nackt und entblößt, die ihm nicht gefiel. »Der Schmerz erinnert mich daran, wer ich bin.«
An seiner Seite trat Hunter Predd unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und musste Worte mit anhören, die er kaum ertragen konnte. Aber was sollte Walker dagegen tun?
»Hör mir zu«, flüsterte Ryer Ord Star. »Höre, was ich in meinen Träumen gesehen habe. Du wirst eine Reise über die Blaue Spalte unternehmen, um etwas sehr Wertvolles zu suchen - wertvoller für dich als für alle, die dich begleiten. Deine Gefährten sind tapfer und stark im Herzen, doch nur einige werden
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