Shannara VII
Gespräch mit ihm überreden konnte. Sie würde sich möglicherweise weigern. Doch einen Versuch war es wert.
Dennoch machten Walker das Warten und die Unsicherheit zu schaffen, und am liebsten hätte er sich ihr offen gezeigt. Zeit war kostbar, der Erfolg hingegen ungewiss. Die Hilfe der Addershag war von größter Wichtigkeit. Sie würde niemals zustimmen, mit ihm zu kommen, aber sie konnte ihm die Augen dafür öffnen, auf was er während der Reise zu achten hätte. Widerwillig würde sie sich darauf einlassen, und zwar nur mit listenreichen Worten und verwirrenden Bildern, aber auch das würde helfen.
Ein leises Rascheln riss ihn aus seinen Gedanken, und er blickte auf, während Hunter Predd aus der finsteren Nacht auftauchte. Der Flugreiter kam allein.
»Hast du sie gefunden?«, fragte der Druide sofort.
Hunter Predd schüttelte den Kopf. »Sie ist seit fünf Jahren tot. Die Frau, die sich früher um sie gekümmert hat, erzählte es mir.«
Walker holte langsam und tief Luft und seufzte. Enttäuschung wallte in ihm auf. Eine Lüge? Nein, eine derartige Lüge würde nicht lange standhalten. Er hätte über den Tod der Seherin Bescheid wissen können, doch hatte er sich in Paranor in den letzten zehn Jahren von der Außenwelt abgeschirmt und vieles von dem, was draußen geschehen war, überhaupt nicht mitbekommen.
Der Flugreiter setzte sich auf einen Baumstumpf und trank aus seinem Wasserschlauch. »Es gibt noch eine zweite Möglichkeit. Ehe sie starb, hat die Seherin einen Lehrling bei sich aufgenommen.«
»Einen Lehrling?« Walker runzelte die Stirn.
»Genauer gesagt, ein Lehrmädchen namens Ryer Ord Star. Sehr begabt, wenn man der Frau glauben darf, mit der ich gesprochen habe. Aber das Mädchen hatte wohl Meinungsverschiedenheiten mit der Addershag. Die Frau deutete an, dass es mit dem schlechten Charakter des Mädchens zu tun habe; mehr hat sie mir jedoch nicht erzählt. Ich solle sie selbst fragen, wenn ich mehr wissen wolle. Sie wohnt nicht weit von hier entfernt.«
Walker dachte kurz darüber nach und wägte die möglichen Risiken und Vorteile ab. Ryer Ord Star? Von der hatte er nie gehört. Und auch nicht davon, dass die Addershag ein Lehrmädchen zu sich genommen hätte. Allerdings hatte er auch nichts vom Tod der Seherin erfahren. Was er über die letzten Jahre wusste oder nicht, war kein Maßstab, um daran die Wahrheit zu messen. Besser fand er selbst heraus, was nun stimmte.
»Zeig mir, wo sie wohnt«, sagte er.
Hunter Predd führte ihn über Wege, die das Zentrum von Grimpen Ward umgingen, und vermied jede Begegnung mit den Bewohnern des Städtchens. Die Dunkelheit verbarg die zwei, und der Wald war ein riesiges, undurchdringliches Labyrinth, in das sich offenbar lediglich die beiden gewagt hatten. Aus der Ferne schallte gelegentlich der Lärm der Stadt herüber, und Lichter erschienen und verschwanden wie die Augen von Raubtieren. Doch sowohl der Flugreiter als auch der Druide wussten, auf welche Weise man sich unauffällig bewegte, und deshalb wurden sie von niemandem bemerkt.
Während sie durch die Dunkelheit schlichen, gingen Walker verschiedene Gedanken durch den Kopf. Seine Möglichkeiten reduzierten sich zunehmend, wurde ihm klar. Zu viele von denen, auf die er sich verlassen wollte, waren tot - zuerst Allardon Elessedil, dann der Schiffbrüchige und nun die Addershag. Der Verlust der Seherin bekümmerte ihn am meisten. Konnte er ohne die Visionen der Addershag bei dieser Expedition auskommen? Allanon hatte das vor vielen Jahren getan. Aber Walker Boh war nicht wie sein Vorgänger und behauptete bestimmt nicht, er könne ihm das Wasser reichen. Er tat, was er konnte, mit dem, was ihm zur Verfügung stand, vor allem, weil er die Notwendigkeit sah, es zu tun, und nicht, weil er die Rolle spielen wollte, die man ihm zugewiesen hatte.
Er dachte nicht gern darüber nach, wer er war und wie er dazu geworden war. Auch an den Weg, den zu gehen er gezwungen worden war, um das zu werden, was nicht in seiner Absicht gelegen hatte, erinnerte er sich nur unwillig. Diese Erinnerungen waren bitter und eine schwierige Bürde. Er war wegen Allanons Machenschaften und auf Coglines Drängen hin Druide geworden, obwohl er große Bedenken dagegen gehegt hatte. Nie hatte er gemeint, er habe irgendetwas mit den Druiden zu tun, nie wollte er Teil dessen sein, was sie darstellten. Er war mit dem Entschluss aufgewachsen, sich vom Erbe seiner Familie fern zu halten - dem Erbe von Shannara. Deshalb hatte er
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