Shannara VII
Wahrheiten über uns. Komm!«
Einen Moment lang zögerte Bek noch. Dann seufzte er tief. »Also gut«, stimmte er zu.
Truls Rohk lachte. Sekunden später glitten sie über die Seite des Luftschiffes und verschwanden in der Nacht.
Kapitel 58
Truls Rohk war entstanden aus flammender Leidenschaft, einer falschen Wahl und einer zufälligen Begegnung, die niemals hätte stattfinden sollen.
Sein Vater stammte aus dem Grenzland, dessen Eltern und Großeltern als Waldläufer und Fährtenleser ihr ganzes Leben in der Wildnis des Runnegebirges verbracht hatten. Als er fünfzehn war, hatte er seine Familie bereits verlassen und sich eine eigene Existenz aufgebaut. Mit zwanzig war er eine Legende, ein Trapper, der den Wolfsktaag der Länge und Breite nach durchquert hatte, der Karawanen mit Einwanderern über die Berge brachte, Jagdgesellschaften führte und Gebiete erkundete, in die sich erst wenige vorgewagt hatten. Er war ein großer Mann mit kräftig gebautem Körper und starkem Willen, flink, begabt und erfahren wie sonst nur wenige. Außerdem kannte er die Wesen, die im Wolfsktaag lebten. Vor ihnen fürchtete er sich zwar nicht, trotzdem vergaß er nie, wozu sie in der Lage waren.
Truls Rohks Mutter lernte er in seinem dreiunddreißigsten Lebensjahr kennen. Sein halbes Leben hatte er als Kundschafter und Führer gearbeitet, und in der Wildnis fühlte er sich mehr zu Hause als in den Vorposten der Zivilisation. Mehr und mehr hatte er sich von den Siedlungen und den Menschen distanziert. Frieden und Trost suchte er zunehmend in der Einsamkeit. Die Welt, die er bevorzugte, war keineswegs eine sichere, aber immerhin war sie ihm vertraut. Überall drohte Gefahr, aber das nahm er in Kauf und akzeptierte es. Im Tausch gegen die Schönheit und Reinheit des Landes hielt er sie für einen angemessenen Preis.
Bisher hatte er stets Glück gehabt, nie einen schweren Fehler begangen und war keine unnötigen Risiken eingegangen. Dieses Glück führte zu einer Zufriedenheit, durch die sein Leben in sicheren Bahnen verlief. So lernte er, vorsichtig und positiv zu denken. Solange er die richtigen Entscheidungen traf, dachte er, würde ihm nichts geschehen. Zwar erlitt er gelegentlich Verletzungen oder wurde krank, jedoch niemals so ernst, dass er sich nicht wieder erholt hätte.
An dem Tag, an dem er Truls Rohks Mutter kennen lernte, verließ ihn allerdings das Glück. Er suchte Schutz vor einem Sturm, als ein Baum weiter oben am Hang von einem Blitz getroffen wurde. Mit einem lauten Knall wurde der Stamm entwurzelt und rutschte mit dem halben Hügel abwärts. Der Grenzländer, dem es so oft gelungen war, zu entkommen, war diesmal einen Schritt zu langsam. Ein riesiger Ast riss ihn von den Beinen. Felsen und Schutt prasselten auf ihn nieder. Sekunden später war er vollständig unter einem Berg von Steinen und Erde begraben, und er hatte das Bewusstsein verloren, ehe er noch ganz verstanden hatte, was passiert war.
Als er erwachte, hatte sich der Sturm gelegt, und die Nacht war hereingebrochen. Voller Überraschung stellte er fest, dass er sich wieder bewegen konnte. Er lag auf einer Lichtung, ein Stück von dem großen Ast und dem Erdrutsch entfernt, sein Körper schmerzte, sein Gesicht blutete, aber er lebte. Jemand sah ihn an, das spürte er, während er sich auf einen Ellbogen hochstemmte. Die Augen des Beobachters glühten in der Dunkelheit, tief im Schatten, hell und wild. Ein Wolf, dachte er. Trotzdem griff er weder nach seiner Waffe noch geriet er in Panik. Er starrte sein Gegenüber lediglich an und wartete ab. Als nichts geschah, setzte er sich auf und dachte, angesichts seiner Bewegung würde der Beobachter davonschleichen. Das tat er jedoch nicht.
Der Grenzländer verstand. Der andere hatte ihn aus Steinen, Erde und Ästen, aus seinem Grab, befreit und ihm das Leben gerettet.
Das Blickduell dauerte lange Zeit an, da weder der Grenzländer noch der andere nachgab. Schließlich sagte der Grenzländer etwas, bedankte sich für die Hilfe. Der andere blieb, wo er war. Der Grenzländer redete lange mit ruhiger und leiser Stimme und kam langsam zu der Überzeugung, dass der Beobachter kein Mensch war, sondern ein Geisterwesen, ein Kind des Wolfsktaag.
Erst kurz vor der Dämmerung kam der Beobachter näher heran, sodass er deutlich zu sehen war. Es war eine Frau, aber keine menschliche. Sie glitt aus dem Schatten heran wie aus farbigem Wasser geformt und veränderte ihr Aussehen währenddessen, war im einen Moment ein Tier,
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