Shannara VII
Jahren eingeredet hat! War dir bewusst, dass du solche Dinge allein mit deiner Stimme vollbringen kannst?« Er zeigte zurück zur Burg.
»Was habe ich denn vollbracht?«, fragte Bek, von dem Gelächter durchgeschüttelt.
»Magie!«
Bek verstummte, sein Lachen wich Stille. Er lag im hohen Gras und starrte zu den Sternen hinauf, lauschte den Echos des Wortes in seinem Kopf. Magie! Magie! Magie! Nein, dachte er. Das stimmte nicht. Er konnte keine Magie beherrschen. Nein, niemals. Oh, ja, er besaß den Phönixstein, den Talisman, den er um den Hals trug, den ihm der König vom Silberfluss geschenkt hatte, und vielleicht…
»Du hast uns gerettet«, sagte Truls Rohk.
Bek sah ihn an. »Du hast uns gerettet!«
Die dunkle Gestalt regte sich und glitt näher. »Ich habe uns vielleicht aus der Reichweite des Geistes gebracht, doch du hast ihn uns vom Hals gehalten. Sonst hätte er uns erwischt. Er wohnt überall in den Ruinen und verbirgt sein wahres Aussehen. Durch diese Täuschung schützt er sich. Aber heute Nacht hast du ihn besiegt. Verstehst du nicht? Du hast die besseren Täuschungen erzeugt, Bewegungen und Geräusche und Farbe… ach, wie süß!«
Er beugte sich vor, wobei er in Mantel und Kapuze unsichtbar blieb. »Hör mir zu. Heute Nacht hast du uns gerettet, doch ich habe dich vorher ebenfalls gerettet. Ich habe dich aus den Ruinen deines Zuhauses geholt und vor dem düsteren Schicksal deiner Familie bewahrt. Damit wären wir quitt.«
Bek starrte ihn an. »Wovon redest du?«
»Wir sind gleich, Junge«, sagte Truls Rohk erneut. »Wir wurden aus der Asche unserer Eltern geboren, aus dem Erbe unseres Blutes, aus einer Geschichte und einem Schicksal, das von uns nicht zu beeinflussen war. Wir sind auf verschiedene Weise verwandt. Aber die Wahrheit ist schwer zu fassen. Etwas davon hast du heute Nacht selbst entdeckt. Den Rest musst du dir von dem Mann holen, der sie wie eine Geisel gefangen hält.«
Er drückte Bek den dritten Schlüssel in die Hand. »Bring dies dem Druiden. Er sollte dir dankbar sein, weil er ihn nicht selbst holen muss - dankbar genug, um dir die Wahrheit zu erzählen, die er unrechtmäßig für sich behält. Vertrauen erzeugt Vertrauen, Junge. Passe sorgsam auf dich auf, bis dir diese Wahrheit über dich enthüllt wird. Hüte das Geheimnis, das du jetzt erfahren hast. Und beherzige meine Worte.«
Damit verschwand er, so rasch und plötzlich, dass er schon fort war, ehe der Junge es überhaupt bemerkte. Bek starrte in das zitternde Gras, durch das Truls Rohk davongegangen war, und stand sprachlos und erschüttert da. Augenblicke später beobachtete er einen Schatten, der sich vom Boden löste und entlang der Ankerleine zum Schiff hinaufkletterte, ehe er oben wieder verschwand.
Die Jerle Shannara hing wie aus Stein gemeißelt vor dem Himmel, an dem sich das Morgengrauen bereits abzeichnete. Bek wartete, ob er noch etwas von dem Gestaltwandler zu sehen bekam, und als dies nicht geschah, erhob er sich müde und machte sich auf den Rückweg.
Kapitel 59
»Du hast mir nicht gehorcht«, sagte der Druide leise, und seine Stimme klang so frostig, dass Bek das Eis heraushören konnte. »Ich habe dir gesagt, du sollst das Schiff bei Nacht auf keinen Fall verlassen, und du hast es trotzdem getan.«
Sie waren allein in Redden Alt Mers Kabine, wo sich auf dieser Reise schon oft eine Gruppe von neun Leuten versammelt hatte, wo es sich jedoch jetzt so anfühlte, als nehme der Druide genug Platz ein, um Bek zu zerdrücken.
»Der Befehl, den ich erlassen habe, galt für alle, also auch für dich. Er war sehr deutlich. Niemand sollte das Schiff ohne meine Erlaubnis verlassen. Und insbesondere nicht die Burg betreten.«
Bek stand starr vor dem Druiden, streckte die Hand aus und hielt ihm den Schlüssel hin. Von allen möglichen Reaktionen hatte er diese am wenigsten erwartet. Natürlich war er von Schelte für sein unüberlegtes Handeln ausgegangen. Sogar eine Strafpredigt darüber, wie wichtig es ist, Befehlen zu gehorchen, hätte ihn nicht überrascht. Aber in seiner Fantasie hatten diese Tadel stets damit geendet, dass Walker seinen Dank ausdrückte, weil der Junge ihm den Schlüssel geholt hatte. So war es nicht notwendig, einen weiteren Tag in den Ruinen zu suchen und die Sicherheit des Schiffes zu riskieren. Und es würde keine Verzögerung mehr geben. Mit dem dritten Schlüssel in der Hand konnten sie endlich zu ihrem Ziel weiterziehen und den Schatz bergen, der dort auf sie wartete.
Bek
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