Shannara VII
gesehen, aber pflichtbewußt hörte er zu und freute sich, daß es ihm gutging.
Mit seiner Schwester Kira war es etwas anderes. Sie wohnte in Arborlon, und gleich am ersten Tag suchte er sie auf. Sie war gerade dabei, ihr jüngstes Kind anzuziehen. Ihr Gesicht war immer noch jung und frisch, ihre Energie grenzenlos und ihr Lächeln so liebenswert wie Vogelgezwitscher. Sie lachte, als sie Tay sah, warf sich stürmisch in seine Arme und drückte ihn an sich. Sie nahm ihn mit in die Küche und brachte ihm ein kühles Bier, dann setzte sie sich auf die alte Bank, um alles über sein Leben zu erfahren und von ihrem zu berichten, am liebsten alles auf einmal. Sie teilten die Besorgnis um ihre Eltern und tauschten Erinnerungen an ihre Kindheit aus, und ohne es zu merken, war es plötzlich dunkel geworden. Am nächsten Tag trafen sie sich wieder, und zusammen mit Kiras Mann und den Kindern gingen sie zu einem Picknick in den Wald am Singenden Fluß. Kira wollte wissen, ob er Jerle Shannara schon getroffen habe; danach erwähnte sie ihn nie wieder. Die Stunden vergingen wie im Flug, und es gelang Tay beinahe zu vergessen, daß er eigentlich aus einem anderen Grund nach Hause gekommen war. Eine Zeitlang spielten die Kinder mit ihm, dann wurden sie schließlich müde, setzten sich auf die Sandbank im Fluß und ließen ihre Füße ins kalte Wasser baumeln. Währenddessen unterhielt er sich mit ihren Eltern darüber, wie die Welt sich verändert hatte. Sein Schwager stellte Lederwaren her und verhandelte regelmäßig auch mit anderen Rassen. Aber seit die Völker im Nordland unterworfen und vereint worden waren, sandte er seine Händler nicht mehr dorthin. Er hatte gehört, daß es dort teuflische Kreaturen, geflügelte Monster und dunkle Schatten gab, Bestien, die sowohl Menschen als auch Elfen anfielen. Tay hörte zu und nickte; er bestätigte, daß auch er von diesen Gerüchten gehört hatte. Er bemühte sich, Kira nicht direkt anzusehen, wenn er sprach. Er wollte nicht, daß sie sah, was in seinen Augen stand.
Tay traf auch alte Freunde wieder, von denen einige noch nicht einmal richtig erwachsen gewesen waren, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Mit einigen war er sehr eng befreundet gewesen. Aber jetzt gingen sie unterschiedliche Wege, und alle waren schon zu weit vorangekommen, um noch einmal umkehren zu können. Vielleicht war auch er derjenige, der zu weit gegangen war. Sie waren jetzt Fremde, nicht vom Äußeren oder ihrer Stimme her, denn die war ihm noch immer vertraut, sondern wegen der Entscheidungen, die sie seither getroffen und die ihr Leben geprägt hatten. Mit ihnen verband Tay nur die Erinnerung an das, was einmal gewesen war. Es stimmte ihn traurig, überraschte ihn aber nicht. Mit der Zeit fielen die Verpflichtungen fort, und die Bande lösten sich. Freundschaften reduzierten sich auf Geschichten über die Vergangenheit und vage Versprechungen für die Zukunft, und beides war nicht stark genug, um wieder entstehen zu lassen, was verloren war. Aber genauso war es im Leben - man schlug unterschiedliche Wege ein, bis man plötzlich feststellte, daß man allein war.
Auch Arborlon strahlte etwas Seltsames aus, aber in einer Art, wie er es nicht erwartet hätte. Äußerlich war es wie immer, ein Dorf, aus dem erst eine Stadt voller Aufregung und Erwartung, dann das Zentrum des Westlandes geworden war. Zwanzig Jahre ständigen Wachstums hatten Arborlon zur größten und wichtigsten Stadt der nördlichen Hälfte der bekannten Welt werden lassen. Das Ende des Ersten Krieges der Rassen hatte die Rolle der Elfen als eines der Völker der Vier Länder unwiderruflich verändert, und mit dem Niedergang des Südlandes, das vorher den größten Einfluß innegehabt hatte, waren Arborlon und die Elfen immer wichtiger geworden. Doch während die Stadt und die Umgebung selbst nach Tays langer Abwesenheit und trotz lediglich unregelmäßiger Besuche noch eine gewisse Vertrautheit ausstrahlten, wurde er das Gefühl nicht los, daß er hier nicht mehr hingehörte. Das hier war nicht mehr sein Zuhause; den größten Teil der vergangenen fünfzehn Jahre war es das nicht mehr gewesen, und es war zu spät, dies zu ändern. Selbst wenn Paranor und die Druiden vernichtet waren, würde er wohl kaum wieder auf Dauer hierher zurückkehren. Arborlon war ein Teil seiner Vergangenheit, und irgendwie war er ihr entwachsen. Er war ein Fremder in dieser Stadt, so sehr er auch versuchte, sich das Gegenteil einzureden, und er fühlte sich
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