Shannara VII
unwohl bei den Bemühungen, sich wieder einzufügen.
Wie schnell doch alles zerrinnen konnte, wenn man nicht genügend achtgab, dachte er mehr als einmal in den ersten Tagen seiner Rückkehr. Wie schnell sich das Leben änderte!
Am späten Nachmittag des vierten Tages nach seiner Ankunft kam Jerle Shannara mit Preia Starle zu ihm. Tay hatte Preia bisher noch nicht gesehen, obwohl er mehrmals an sie gedacht hatte. Sie war mit Abstand die erstaunlichste Frau, die er jemals gekannt hatte. Vielleicht hätte sein Leben eine andere Richtung genommen, wenn sie nicht schon lange Jerle geliebt hätte, sondern ihn, sinnierte er. Sie war sehr schön, hatte ein kleines, vollkommen geformtes Gesicht, zimtfarbene Haare und Augen, weiche, schimmernde dunkle Haut und einen vollendet geformten Körper, der sich mit der Grazie und der Geschmeidigkeit einer Katze bewegte. Dennoch sagte all dies nur wenig über Preia aus. Sie war mindestens so sehr Kriegerin wie Jerle, hatte gelernt, was sie als Fährtenleserin und Kundschafterin wissen mußte und war auf diesem Gebiet besser als jeder andere, den Tay kannte - stark und fest und so zuverlässig wie der Sonnenaufgang. Sie konnte ein Frettchen in einem Sumpf aufspüren. Sie konnte wochenlang allein in der Wildnis leben und sich nur von dem ernähren, was sie dort fand. Sie weigerte sich, ein Leben wie die meisten Elfenfrauen zu führen und verzichtete auf die Gemütlichkeit eines Heims und die Geborgenheit von Mann und Kindern. Preia war von all dem weit entfernt. Sie war glücklich mit dem Leben, das sie führte, hatte sie Tay einmal versichert. Zu den anderen Dingen würde sie kommen, wenn Jerle dazu bereit war. So lange würde sie warten.
Jerle wiederum war zufrieden so. Er war sich nicht ganz darüber im klaren, was er für Preia empfand, dachte Tay. Er liebte sie auf seine Weise, aber Kira war seine erste und größte Liebe gewesen und er konnte sie nicht vergessen, nicht einmal nach all diesen Jahren. Preia mußte das gewußt haben, denn sie war zu klug, um es zu übersehen, aber sie hatte niemals etwas dazu geäußert. Tay hatte vermutet, daß sich ihre Beziehung seit seinem letzten Besuch geändert hätte, aber es schien nicht so. Jerle hatte Preia in seinen Gesprächen mit Tay nicht einmal erwähnt. Er hatte eine Mauer aus Selbstgenügsamkeit und Unabhängigkeit um sich errichtet, und Preia stand noch immer davor und wartete, eingelassen zu werden.
Sie ging lächelnd auf Tay zu, als er von der Westlandkarte aufsah, die er an einem kleinen Tisch im Garten seiner Eltern studierte. Er stand auf, um sie zu begrüßen, und spürte, wie sich seine Kehle bei ihrem Anblick zusammenschnürte. Er beugte sich etwas vor und nahm ihre Umarmung und ihren Kuß entgegen.
»Geht es dir gut, Tay?« fragte sie zur Begrüßung und trat einen Schritt zurück, um ihn genauer anzusehen. Ihre Hände ruhten leicht auf seinen Armen.
»Jetzt noch besser, da ich dich sehe«, antwortete er und wunderte sich selbst über die kühne Antwort.
Jerle und Preia nahmen ihn mit zum Carolan, wo sie ungestörter miteinander reden konnten. Sie suchten sich einen Platz nahe den Gärten des Lebens und blickten von dort über die Klippen hinweg auf die Wipfel der hohen Bäume jenseits des Singenden Flusses. Jerle hatte eine runde Bank gefunden, damit sie sich gegenseitig ansehen und nicht durch andere abgelenkt würden. Sein Blick schien in weite Ferne gerichtet zu sein, und er hatte beinahe noch nichts gesagt, seit er Tay aufgesucht hatte. Jetzt schaute er ihn zum ersten Mal direkt an.
»Bremen hatte recht«, sagte er. »Paranor ist gefallen. Alle Druiden sind tot. Wenn außer denen, die bei dir waren, noch jemand entkommen konnte, müssen sie sich versteckt halten.«
Tay starrte ihn an, nur langsam sank das ganze Gewicht von Jerles Worten auf ihn herab. Dann sah er Preia an. In ihrer Miene stand keine Überraschung. Sie hatte es bereits gewußt.
»Du hast Preia nach Paranor geschickt?« fragte er schnell und begriff plötzlich, warum sie hier bei ihnen war.
»Wer wäre besser geeignet gewesen?« fragte Jerle nüchtern. Er hatte recht. Tay hatte ihn gebeten, jemanden zu schicken, der vertrauenswürdig war, und niemand war vertrauenswürdiger als Preia. Aber die Aufgabe war gefährlich gewesen, und Tay hätte jemand anderen ausgewählt. Hier zeigte sich der Unterschied in ihren Gefühlen gegenüber Preia, erkannte er. Aber deshalb waren die seinen nicht unbedingt von edlerer Natur.
»Sag ihm, was du gesehen
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