Shannara VIII
Recht, Junge. Ich bin ein Ungeheuer. Bist du jetzt zufrieden?«
Er wollte sich gerade umdrehen, da sprang Bek vor, packte seinen Arm und hielt ihn fest.
»Du hast es selbst gesagt«, meinte er. »Dein Gesicht stellt nicht dar, wer du wirklich bist. Vielleicht erscheinst du wie ein Ungeheuer, aber du bist keines. Du bist mein Freund. Du hast mir das Leben gerettet. Doch nie hättest du mir freiwillig die Wahrheit über dich anvertraut. Die hast du verborgen gehalten, weil du dir selbst etwas vorgemacht hast. Ich möchte dich lieber so kennen, wie du bist, auch wenn es noch so schrecklich ist, als dass du die Wahrheit vor mir verbirgst.«
»Hübsche Worte«, knurrte der Gestaltwandler, riss sich jedoch nicht los.
»Es ist die Wahrheit, Truls Rohk. Ich weiß, du hasst dich selbst, weil du so bist, wie du bist, wegen deines Aussehens und wegen der Reaktion anderer darauf, wenn du es ihnen zeigst. Aber manchen Menschen muss man auch das Schlimmste über sich anvertrauen. Du musst mir glauben, dass es für mich keinen Unterschied ausmacht. Ich würde dich niemals nach deinem Aussehen beurteilen. Mir ist nur wichtig zu wissen, wer du bist, und wer du bist, steckt tief in dir. Die Gestaltwandler in den Bergen wussten das. Sie haben mich gefragt, welche Gefühle ich für dich hege, weil sie erfahren wollten, ob du mir wichtig bist. Ob Freundschaft zwischen uns besteht? Wie tief diese Freundschaft reicht? Ob ich glaube, dass es für dich einen Platz in dieser Welt gibt? Ob ich mein Leben für dich geben würde? Meine Antworten hatten nichts mit deinem Aussehen zu tun, sondern nur damit, wer du bist.«
»Und was hast du damit erreicht, dass ich dir zeige, was ich bin? Wem hilft das weiter?« Verbitterung und Misstrauen schwangen in den Worten des anderen mit. »Leider hilft die Wahrheit niemandem.«
Bek verstärkte seinen Griff und wagte den entscheidenden Schritt. »Begreifst du denn nicht? Die Wahrheit hilft uns allen. Die Chance zu überleben, welche die Gestaltwandler dir gaben, als sie dich vor dem Caull beschützten, musst du auch Grianne gewähren. Alle halten sie für ein Ungeheuer. Aber in Wahrheit ist sie keines. Sie braucht nur ein wenig Hilfe, damit es alle erkennen können. Jemand muss den Vorhang aus Lüge und Betrug zerreißen. Jemand muss an sie glauben, daran glauben, dass mehr in ihr steckt, als die anderen sehen wollen. Sie braucht einen Menschen, der für sie eintritt.«
Bek beugte sich vor. »Außer mir und dir gibt es niemanden. Wir sind ihre letzte Hoffnung.«
Nachdem er geendet hatte, folgte eine lange Pause, in der Zeit und Raum zu erstarren schienen, während sich der Junge und der Gestaltwandler, einer Mensch, einer ein anderes Wesen, anschauten. Alle Luft schien aus der Welt gewichen zu sein und hatte sie leer und stickig zurückgelassen. Bek wusste nicht, was er noch sagen oder tun sollte. Er wollte Truls Rohk nicht loslassen und hielt seinen Arm fest, als könne er ihn mit dieser Geste für seine Ansichten gewinnen.
»Du und ich«, sagte sein Gegenüber schließlich mit ungewohnt sanfter Stimme. »Aber vor allem du.«
Er befreite sich so rasch von Bek, dass dieser keine Zeit hatte, ihn daran zu hindern, den Mantel aufzuheben und überzustreifen, wodurch der Gestaltwandler wieder zu einer dunklen gesichtslosen Erscheinung wurde. Die sich ständig verändernden Teile, die halb ausgeformten Visionen verschwanden unter dem Stoff.
»Der Druide hat gut daran getan, dich mitzunehmen«, sagte er.
Bek erkannte seine Chance. »Ich habe einen Plan.«
Truls Rohk grunzte. »Wann hast du einmal keinen Plan gehabt? Du bist deiner Schwester nicht nur in einer Hinsicht ebenbürtig. Komm. Ich verspreche dir überhaupt nichts, was ich tun oder lassen werde, wenn ich sie erwische. Reden wir noch ein bisschen darüber. Aber wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Die Rets sind hinter uns her, und die Ruinenstadt wartet. Walker braucht uns.«
»Hör dir wenigstens an, was ich dir zu erzählen habe -«
»Später.« Der Gestaltwandler unterbrach ihn einfach. Daraufhin sagte er mit härterer Stimme: »Jetzt hörst du mir mal zu. Erwähne niemandem gegenüber, was hier geschehen ist. Weder mir gegenüber noch sonst jemandem. Niemals. Diese Sache ist ein für alle Mal erledigt.«
Damit drehte er sich um, stolzierte davon, und Bek musste laufen, um mitzuhalten.
Kapitel 26
»Jetzt«, sagte Quentin Leah leise zu Tamis. Sie bewegte sich von ihm fort, keineswegs überhastet oder mit äußerlichen Anzeichen des
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