Shannara VIII
wirklich bin!« Der Gestaltwandler sprach mit solcher Gehässigkeit, dass Bek erschrak.
Im nächsten Moment riss er sich den Mantel vom Leib und stand enthüllt da.
Zuerst sah Bek nur eine vage Silhouette vor einem düsteren Hintergrund; der Mond und die Sterne wurden von Wolken verdeckt, und so war es im Wald fast vollkommen finster. Truls Rohks Mantel lag auf dem Boden, der Gestaltwandler hatte sich hingehockt und wirkte wild und gefährlich. Doch wollte er weder fliehen noch angreifen, und die Zweige und Äste der Bäume wirkten gegen den fernen Himmel wie ein Spinnennetz.
Dann bemerkte Bek die ersten Bewegungen. Nein, Truls Rohk rührte sich nicht, sondern die dunkle Masse seines Körpers, als führe das Fleisch ein Eigenleben. Sein Leib wirkte, als bestünde er aus einer Flüssigkeit, als sei Truls Rohk ein Glas mit Wasser. Überrascht vermeinte Bek im ersten Moment, er sei einer Täuschung erlegen.
Er glaubte das noch immer, als Teile des Gestaltwandlers verschwanden und auf gespenstische Weise wieder erschienen.
Aber als der Mond zwischen den Wolken zum Vorschein kam und die Lichtung in milchige Helligkeit tauchte, verstand Bek. Truls Rohks Körper sah aus wie aus verschiedenen Teilen menschlichen Abfalls zusammengesetzt, wie etwas Halbgeformtes, Halbverrottetes, und alles bewegte sich einem Trugbild gleich, das vielleicht überhaupt nicht vorhanden war. Der fließende Eindruck entstand durch die ständige Veränderung von Fleisch und Knochen in Luft und Nebel. An Truls Rohk blieb nichts auch nur einen Moment lang beständig. Er war nur halb fertig, einiges von ihm war als menschlich zu erkennen, doch genügte das nicht, um ihn wirklich als Menschen zu bezeichnen. Etwas vergleichbar Schreckliches hatte Bek nie zuvor gesehen - und zwar nicht nur das Phänomen an sich, sondern auch das, was damit verbunden war. Es erinnerte an ein Grab, an Tod und Zerfall, an das, was den Körper erwartete, wenn er zu verfaulen begann. Es zeigte, wie es sein musste, wenn sich ein Körper auflöste. Unvorstellbare Schmerzen und unglaubliches Leid mussten damit verbunden sein. Es erinnerte Bek an einen Albtraum und an eine Kreatur aus einem solchen, deren Schauerlichkeit einen jeden aus dem Schlaf reißen würde. Es war unwirklich und hässlich. Es war eine Verleugnung jeglichen menschlichen Lebenskonzepts.
Bek sagte nichts, aber Truls Rohk las genug von seinem Gesicht ab. »Das passiert, wenn sich ein Gestaltwandler mit einem Menschen paart«, flüsterte er und konnte seinen Zorn kaum mehr beherrschen. »So etwas passiert, wenn Gesetze der Natur gebrochen werden. Ich habe dir gesagt, dass mein Vater mich töten wollte, nachdem er meine Mutter umgebracht hatte. Er tat es, nachdem sie ihm offenbart hatte, was er mit ihr gemacht hatte. Und nachdem er gesehen hatte, wozu ich geworden war. Weil er es einfach nicht aushielt. Er konnte mich nicht leben lassen. Wer hätte das schon gekonnt? Ich bin in diesem halb ausgeformten Körper gefangen und bestehe zum Teil aus Fleisch und Knochen und zum anderen aus den Elementen der Natur - bloß ist beides nicht voll ausgebildet. Ich verwandele mich hin und her und sitze dazwischen in der Falle.«
Bek brachte kein Wort hervor. Stumm starrte er den Gestaltwandler an und versuchte sich vorzustellen, wie es sein musste, wenn man so war, aber es gelang ihm nicht. Truls Rohk lachte lustlos. »Jetzt möchtest du mich nicht mehr unbedingt anschauen, wie? Schade eigentlich. So sehe ich aus, Junge. Kraft und Stärke stehen mir in ausreichendem Maße zur Verfügung. Ich habe eine feste Erscheinung. Doch mir fehlt die Eigenschaft eines richtigen Gestaltwandlers, mich gleichmäßig anpassen zu können. Diese Wahrheit kann ich vor mir nicht verstecken. Deshalb lebe ich so abgesondert. Niemand hält es aus, mich anzusehen.«
Er trat einen Schritt vor, und unwillkürlich wich Bek zurück, während sich die Einzelteile seines Gegenübers unablässig veränderten und sich Knochen und Blutgefäße und Streifen zerrissenen Fleisches neben Luft und Wasser und Helligkeit und Dunkelheit zeigten. Ein Auge trat vor und verschwand wieder. Zähne funkelten an einem halb enthäuteten Schädel. An den Händen erschienen die Fingerknochen und die nackten Sehnen. Haar und Haut wuchsen nur stellenweise. Nichts schien irgendwie zusammenzuhalten, und doch stellte alles ein Ganzes dar, wenngleich dieses im nächsten Moment auseinander zu fallen drohte.
»Ha!« Truls Rohk wandte das entstellte Gesicht ab. »Du hattest
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