Shannara VIII
Druiden selbst dann nicht für erledigt erklären, wenn ich ihn in einer Grube zwei Schritt vor mir in der Erde liegen sähe; er hat mehr Leben als eine Katze. Ich kenne ihn, Junge, und zwar schon lange. Er denkt alles genau durch. Es würde mich nicht verwundern, wenn er sich längst wieder in Freiheit befände und nach uns suchte.«
Daran schien Bek zu zweifeln, und trotzdem nickte er. »Was machen wir als Nächstes? Wohin gehen wir?«
Truls Rohk erhob sich, sein Mantel fiel von den breiten Schultern herab und hüllte seine Gestalt von Kopf bis Fuß in Schatten, wie ein Gespenst, und das trotz der allmählich heraufziehenden Dämmerung.
»Ich muss weit genug zurückgehen, um sicherzustellen, dass wir weder von der Hexe noch von den Rets verfolgt werden. Du wirst hier auf meine Rückkehr warten. Beweg dich nicht von der Stelle.« Er zögerte. »Solange du nicht in Gefahr gerätst. In dem Fall versteckst du dich, so gut du kannst. Aber setz nicht deine Magie ein. Du bist noch nicht bereit dafür, nicht ohne meine Hilfe.«
Er warf dem Jungen einen harten, mahnenden Blick zu, drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Bek lehnte sich mit dem Rücken an einen Schuppenrindenhickory und schaute zu, wie der Himmel im Osten mit der Zeit immer heller wurde. Die Dunkelheit wich den ersten Sonnenstrahlen, und in den Lücken zwischen den Blättern, die zuvor nicht zu erkennen gewesen waren, änderte der Himmel seine Farbe. Bek saß da und dachte darüber nach, wo er sich befand, über die Reise, die ihn an diesen Ort, in diese Situation verschlagen hatte, und an die Wandelungen, denen er sich unterzogen hatte. Er erinnerte sich an den Abend vor Monaten, an dem Walker im Hochland aufgetaucht war und ihn gebeten hatte, ihn auf dieser Reise zu begleiten, an seine Worte, nichts in seinem Leben werde danach noch so sein wie zuvor. Damals hatte er nicht wissen können, wie sehr sich diese Vorhersage bewahrheiten würde.
Kurz schloss er die Augen und stellte sich vor, was in Leah, im Hochland, in seiner Heimat aus ihm geworden wäre. Es gelang ihm nicht. Das alles lag so weit hinter ihm, war der Gegenwart so fern, dass es aus einem anderen Leben zu stammen schien.
Er gab das Grübeln über das Hochland auf und versuchte sich stattdessen vorzustellen, wie es sein würde, Grianne zur Schwester zu haben. Nicht nur dem Namen nach, sondern richtig. Nachdem sie akzeptiert hätte, dass es tatsächlich der Wahrheit entsprach. Er wollte sich vorstellen, wie es war, wenn sie ihn Bek nannte. Auch dies wollte ihm nicht gelingen. Als Ilse-Hexe hatte Grianne getötet und Träume zerstört. Sie hatte Taten begangen, die er niemals würde verzeihen können, gleichgültig, wie sehr man sie irregeleitet hatte oder wie sehr sie bereute. Ihr Leben war in Täuschung und Verrat verstrickt, in eine fehlgeleitete Suche nach Rache, in Einsamkeit und Verbitterung. Nein, sie konnte ihre Vergangenheit nicht einfach mit einem Streich auswischen und ein neues Leben beginnen. Sie konnte nicht jemand anderes werden, nur weil er es sich wünschte. Das wäre ein Ende wie im Märchen. Was immer er von ihr erwartete, vermutlich war es zu viel. Wenigstens, so hoffte er, würde sie schließlich die Wahrheit erkennen.
Er stellte sie sich vor, wie sie in ihrer grauen Robe vor ihm stand, herrisch und gebieterisch. Glücklich vermochte er sie sich nicht vorzustellen. Hatte sie je gelacht, seit man sie verschleppt hatte? Hatte sie überhaupt je gelächelt?
Trotzdem musste er sie wieder zu sich selbst führen, zu dem Mädchen, das sie vor fünfzehn Jahren gewesen war, zu der Welt, die sie verlassen hatte und nun verachtete, wie es der Wille von niederen Kreaturen war. Er musste ihr helfen, selbst wenn er dadurch noch größeres Leid hervorrief.
Wie konnte ihm das gelingen, wo sie doch bei ihrer nächsten Begegnung vermutlich ihr Bestes geben würde, ihn zu töten?
Er wünschte, er hätte Quentin bei sich - Quentin, der die Dinge stets gefühlvoll, aber geradlinig anging, der stets mit solcher Klarheit den richtigen Weg und die beste Möglichkeit sah. Hatte Quentin den Kampf in den Ruinen von Castledown überlebt? Tränen sammelten sich in seinen Augen, als er sich vorstellte, sein Vetter könnte den Tod gefunden haben. Allein der Gedanke erschien ihm wie Verrat. Er konnte sich ein Leben ohne ihn - seinen Vertrauten und besten Freund - nicht vorstellen. Quentin war so erpicht darauf gewesen, an dieser Reise teilzunehmen, so begierig darauf, einen anderen
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