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Shannara VIII

Titel: Shannara VIII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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der ihren kleinen Bruder rettete - lebend. Er brachte ihn fort, zu einer sicheren Festung. Es war Paranor, wie sie rasch erkannte. Er übergab ihren Bruder dem Druiden Walker, und der wiederum brachte ihn ins Hochland von Leah, wo er ihn einem Mann mit gutmütigem Gesicht und seiner Frau anvertraute, die auch eigene Kinder hatten und dem Druiden einen Dienst schuldig waren. In dieser Familie wuchs ihr Bruder auf, sein winziges Säuglingsgesicht verwandelte sich mit den Jahren, bis seine Züge erkennbar wurden.
     Sie hätte nach Luft geschnappt oder sogar aufgeschrien, als sie erkannte, dass es sich um den Jungen handelte, der mit Walker in dieses ferne Land gekommen war, der sie zur Rede gestellt und ihr gegenüber behauptet hatte, er sei Bek. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. Er war der Junge, dem sie nicht geglaubt hatte, der Junge, den sie mit dem Caull gejagt und beinahe umgebracht hatte. Bek, ihr Bruder, der, so hatte sie gemeint, in den Flammen gestorben war…
     Sie konnte diese Gedanken nicht zu Ende bringen, keinen einzigen. Ja, sie konnte sich kaum dazu zwingen, sich ihnen zu stellen. Außerdem blieb ihr keine Zeit für eine langwierige Betrachtung oder dafür, mit dem Gesehenen fertig zu werden. Weitere Bilder erschienen, eine ganze Flut, die sie geradezu überschwemmte, so dass sich ihr die Brust zusammenschnürte und sie unter dem drückenden Gewicht kaum mehr atmen konnte.
     Jetzt zeigten die Bilder ihre Ausbildung beim Morgawr, ihre lange, harte Lehrzeit, ihre Meisterschaft in Selbstdisziplin und die Ausformung ihres Lebensziels - eine Möglichkeit zu finden, wie sie Walker vernichten konnte. Sie wuchs vom Mädchen zu einer jungen Frau heran, aber nicht in der gleichen Freiheit wie Bek. Stattdessen beobachtete sie sich dabei, wie sie sich von einem Menschen in etwas verwandelte, das dem Morgawr ähnelte, bis sie sich am Ende nur noch äußerlich von ihm unterschied, weil sie Haut hatte und er Schuppen. Sie war so düster und hasserfüllt und ruchlos geworden wie er. Mit seinem Eifer und seiner wilden Entschlossenheit hatte sie ausgenutzt, was ihr ihre vergiftete Magie zu bieten hatte.
     Sie schaute sich zu, wie sie lernte, Magie als Waffe einzusetzen. Ihre gesamten langen und finsteren Erfahrungen wurden bis ins letzte widerliche Detail stumpfsinnig wiederholt. Sie musste mit ansehen, wie sie jeden verstümmelte und tötete, der ihr im Weg stand. Wie sie jeden vernichtete, der es wagte, ihr Widerstand zu leisten oder ihre Ziele in Frage zu stellen. Sie beraubte ihre Opfer aller Hoffnung und allen Mutes und machte sie sich zu Sklaven. Sie ruinierte Menschen, einfach nur, weil es ihr gelegen kam oder ihrem Ziel diente. Auf diese Weise war die Addershag gestorben, nur damit sie Macht über Ryer Ord Star erlangen konnte. Ihr Spion im Hause des Heilers von Bracken Clell musste sterben, damit er seine Verbindung zu ihr nicht preisgeben konnte. Allardon Elessedil starb, weil der Druide Walker die geplante Expedition sonst vielleicht ohne Unterstützung der Elfen hätte antreten müssen.
     Es gab so viele, und rasch verlor sie den Überblick. An die meisten konnte sie sich gar nicht erinnern. Sie schaute zu, wenn ihre Opfer Geistern der Vergangenheit gleich auftauchten und erneut ihren Tod durchlitten. Von ihrer eigenen Hand oder auf ihren Befehl hin, das spielte keine Rolle: Tot war tot. Und wenn nicht tot, so sahen sie hinterher doch aus wie Männer und Frauen, die sich den Tod herbeisehnten. Sie spürte ihre Furcht, ihre Hilflosigkeit, ihre Frustration, ihren Schrecken und ihren Schmerz. Sie fühlte ihr Leid.
     Sie, die Ilse-Hexe, die nie irgendetwas empfunden hatte, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, sich gegen alle Emotionen abzuhärten, wurde aufgeribbelt wie ein altes Gewand, das zu oft getragen worden war.
      Aufhören, hörte sie sich flehen. Bitte! Bitte! Dennoch nahmen die Bilder kein Ende, und nun sah sie nicht mehr die eigentlichen Taten, sondern deren Folgen. Wenn ein Familienvater sterben musste, weil es ihren Zwecken diente, hungerten eine Mutter und ihre Kinder auf der Straße. Wurde die Tochter einer Familie vom rechten Wege abgebracht, weil es der Hexe zum Vorteil gereichte, strauchelte versehentlich auch der Sohn. Wo ein Leben geopfert wurde, stürzten zwei weitere ins Elend.
     Doch damit nicht genug. Ein Kommandant der Freien, dem sie Verstand und Seele geraubt hatte, kostete seine Nation den Preis seines Mutes und seine fehlende Führerschaft auf Jahre hin. Die

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