Shannara VIII
gegangen ist, mit aufrechtem Kopf, die Augen geradeaus. Unsere Fußabdrücke hat sie überhaupt nicht beachtet.« Er blickte sich kurz um, schaute in alle Richtungen und nahm die Landschaft in sich auf. »Wir müssen sie abschütteln, Junge. Und zwar jetzt, ehe sie noch näher kommt und nicht mehr aufzuhalten ist.«
Er wandte sich dem Jungen zu, eine breite, bedrohliche Gestalt. »Zeit, selbst einige Verantwortung zu übernehmen. Deine Magie gegen ihre - das könnte die Antwort sein. Ihr fehlt es gleichermaßen noch an Macht und Scharfsinn, aber sie dürfte trotzdem von Nutzen sein. Hör mir zu. Vermutlich erkennt die Ilse-Hexe unsere Körperwärme oder unsere Bewegungen. Versuch doch mal, ob du das Gleiche kannst. Beobachte mich genau. Wenn ich verschwinde, verfolge mich. Benutz dazu deine Stimme wie auf Mephitic.«
Kurz darauf verschwand er genau vor Beks Augen, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Der Junge beschwor seine Magie und lenkte sie in die eine und die andere Richtung. Nichts geschah.
Der Gestaltwandler erschien wieder an der Stelle, wo er noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte. Bek erschrak, dann schüttelte er wütend den Kopf. »Es geht nicht!« Niedergeschlagenheit sprach aus seinen Worten. »Ich kann es nicht!«
Truls Rohk beugte sich bedrohlich über ihn. »Eigentlich schade für uns, nicht? Versuch es noch einmal. Schick deine Magie aus, als würdest du ein Netz auswerfen! Stell dir vor, du würdest Bilder mit Tüchern verhängen. Du suchst nicht nach mir, sondern nach meinem Schatten. Los!«
Wieder verschwand er, und erneut rief Bek die Magie.
Diesmal hatte er mehr Erfolg. Er erwischte einige Teilchen von Truls Rohk, während dieser sich nach rechts und links und wieder zurück bewegte, geisterhafte Präsenzen, die in der Mittagsluft hingen.
»Besser.« Der Gestaltwandler stand abermals vor ihm. »Einmal noch, doch diesmal hältst du einen Zipfel der Magie fest, die du freilässt. Und anschließend ziehst du sie ein, Fischerjunge.«
Bei diesem Versuch konnte er Truls Rohks sämtliche Bewegungen nachvollziehen, konnte verfolgen, wie er um ihn herumging. Wie Schatten, die von den Toten befreit sind, hingen die Abbilder in der Luft, eines nach dem anderen, und jedes bewegte sich träge zum nächsten hin, wie Läufer, die durch Treibsand stapfen.
Sie arbeiteten weiter daran, bis der Gestaltwandler sein Aussehen in das des Jungen veränderte, und plötzlich jagte Bek seinen eigenen Abbildern hinterher und sah, wie ein Doppelgänger von ihm über die Wiese hin und her rannte. Dorthin und hierhin, dort entlang, hier entlang, von einem Ende zum anderen und zwischen den Bäumen herum verteilte Truls Rohk Bilder von sich selbst und von dem Jungen, bis die Wiese mit Schatten und Spuren überfüllt war, die sich vollkommen ineinander verwickelt hatten.
»Soll sie doch versuchen, dieses Gewirr aufzulösen«, grunzte Truls Rohk, während er den Jungen im Zickzack durch die Bilder führte und zu den Bergen im Osten aufbrach. »Das wiederholen wir später noch einmal, wenn wir näher am Wasser sind.«
Sie rannten los, nicht so schnell wie vorher, denn jetzt schlug der Gestaltwandler ein Tempo an, bei dem der Junge leichter mithalten konnte. Keiner von beiden sprach, stattdessen konzentrierten sie sich auf den Weg, darauf, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihre Verfolgerin zu bringen und dabei so viel Kraft wie möglich zu sparen. Zweimal hielten sie an und produzierten ein ähnlich verwirrendes Labyrinth von Bildern, eine in sich verschlungene Spur, dann überquerten sie einen tiefen Bach, schlugen zweimal Haken und suchten sich schwieriges Gelände für ihren Weg.
Gegen Abend hielten sie schließlich an, um auszuruhen und zu essen. Im Westen schwand das Licht rasch, das Waldland war bereits in lange Schatten gehüllt. Nachtvögel stiegen aus dem Zwielicht auf, ihre dunklen Silhouetten hoben sich vom Himmel ab. Bek beobachtete ihren Flug und wünschte sich, er hätte ebenfalls Schwingen. Er hatte weder Essen noch Wasser bei sich, doch Truls Rohk hatte Proviant an Bord der Schwarzen Moclips gestohlen und mitgebracht. Wie stets bereitete sich der Gestaltwandler auf alle möglichen Fälle vor.
»Wenngleich ich nicht geglaubt habe, dass es dazu kommen würde«, räumte er grimmig ein und reichte dem Jungen seinen Wasserschlauch.
Bek war erschöpft. Er hatte durchgehalten, aber seine Muskeln brannten, und sein ganzer Körper schmerzte. An harte, lange Wanderungen war er gewöhnt,
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