Shannara VIII
die Welt jenseits ihres Verstecks. Die Realität gab es nicht mehr, geblieben waren ihr nur Erinnerungen. An die klammerte sie sich wie an Goldfäden, die hell und prächtig im Dunkeln glänzten.
Einmal hatte Bek es geschafft, sie zu finden, und war mit seinen Tränen durch die Dunkelheit vorgedrungen und hatte die Jäger vertrieben. Weil er sie brauchte, so sehr brauchte, dass selbst die schwarzen Wesen nicht widerstehen konnten, hatte sich eine Tür für sie geöffnet. So hatte sie ihr Versteck verlassen und ihn wiedergefunden. Sein Herz war gebrochen, weil er mit ansehen musste, wie sein kleiner Hund verletzt neben ihm lag. Sie sagte zu ihm, sie sei zurück und werde ihn nie mehr verlassen, und mithilfe ihrer Magie heilte sie den Hund. Doch die schwarzen Wesen lauerten immer noch auf sie, und die offene Tür begann sich zu schließen, weil Bek sie nicht mehr so dringend brauchte, und nun war sie gezwungen, in ihr Versteck zurückzufliehen. Wenn er sie und ihre Heilkraft nicht benötigte, konnte sie nicht bleiben.
Also verkroch sie sich wieder. Die Tür schloss sich und verschwand, und sie wusste nicht, wie man sie erneut öffnen konnte.
Bek musste sie öffnen, glaubte sie. Er hatte es schon einmal getan, und er würde es wieder tun. Nur war Bek noch ein Kleinkind, und er begriff nicht, was ihr passiert war. Er konnte nicht verstehen, weshalb sie sich versteckte und wie gefährlich die schwarzen Wesen waren. Sie saß in der Falle, und allein er konnte sie befreien, doch das wusste er nicht.
»Aber als du mir gesagt hast, du würdest mir verzeihen, dass ich dich allein gelassen habe, spürte ich, wie sich alles veränderte«, erzählte sie ihm später. »Als du mir gesagt hast, wie dringend du mich brauchst und dass ich dich eigentlich wieder verlassen würde, wenn ich nicht zu dir zurückkommen würde, spürte ich, wie sich die Dunkelheit zurückzog und die schwarzen Wesen - die Wahrheiten, denen ich nicht ins Gesicht sehen konnte - zu verblassen begannen. Ich hörte deinen Gesang und spürte die Magie, die durchbrach und mich wie eine weiche Decke einhüllte. Ich dachte, wenn du mir verzeihen könntest, nachdem ich dich so im Stich gelassen hatte, dann könnte ich mich auch allem Bösen stellen, das ich angerichtet hatte.«
Sie saßen in der Dunkelheit, wo dies alles begonnen hatte, in einer Ecke von Redden Alt Mers Kapitänskabine, und sie unterhielten sich im Flüsterton, um Quentin Leah nicht zu wecken. Ihre Gesichter lagen im Schatten und verbargen, was ihre Augen sonst enthüllt hätten, aber Bek wusste, welche Gedanken seine Schwester hegte. Sie dachte, er habe gewusst, was er tat, als er eine Möglichkeit fand, sie mit der Magie des Wunschliedes zu erreichen. Doch eigentlich hatte er nur Glück gehabt. Oder Ausdauer gezeigt, wenn er es ein wenig gnädiger ausdrückte. Er hatte geglaubt, es bedürfe der Verzeihung, um sie zu wecken. Darin hatte er sich getäuscht. Sie hatte lediglich spüren müssen, wie dringend er sie brauchte.
»Ich wollte dir die Chance geben, wieder du selbst zu werden«, sagte er. »Du solltest nicht in dir verschlossen bleiben, gleichgültig, welche Konsequenzen sich daraus ergaben.«
»Bestimmt keine guten, Bek«, sagte sie zu ihm und berührte ihn an der Wange. »Vermutlich sogar sehr üble.« Einen Moment lang schwieg sie und sah ihn an. »Ich kann es gar nicht glauben, dass ich dich wiedergefunden habe.«
»Ich auch nicht. Allerdings kann ich kaum etwas glauben von dem, das passiert ist. Vor allem mir. Ich unterscheide mich gar nicht so sehr von dir. So vieles von dem, was ich für die Wahrheit über mich hielt, hat sich als Lüge herausgestellt.«
Sie lächelte, leicht verbittert und tadelnd. »Sag so etwas nicht. Sag es einfach nicht. Du bist mir überhaupt nicht ähnlich. Nun gut, du hast nicht gewusst, dass du ein Ohmsford bist. Aber solche Dinge wie ich hast du nie getan. Und nicht so ein Leben geführt. Sei dankbar dafür. Wenn du auf dein Leben zurückschaust, brauchst du es nicht zu bedauern. Ich dagegen bedauere mein Leben von Anfang an. Ich würde jeden Tag neu leben, nur leider geht das nicht. Meine Taten als Ilse-Hexe werden mich niemals in Ruhe lassen.«
Sie blickte ihn lange und streng an. »Ich habe dich lieb, und du mich auch, ich weiß. Das gibt mir Hoffnung, Bek. Und die Kraft, die ich brauche, um all das Übel in etwas Gutes zu verwandeln.«
»Kannst du dich an alles erinnern, was passiert ist?«, fragte er sie. »An alles aus
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