Shannara VIII
betrachtete den Mann und wartete ab, was geschehen würde. Im Licht des neuen Tages wirkte ihr Gesicht plötzlich verändert; sie erschien jünger und hübscher und mit ihren Elfenzügen ein wenig exotisch. Quentin erwischte sich dabei, dass er sie eindringlicher beobachtete als den Fremden. Er mochte die Ruhe und die Sorglosigkeit, mit der sie die Dinge anging und sich niemals aufregte. Nie reagierte sie zu heftig. An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen hätte er ihre Anziehungskraft auf sich wirken lassen, doch im Augenblick gab es Dringlicheres.
Die Sonne stieg über den Horizont und verscheuchte mit ihren hellen Strahlen die letzten Schatten der Nacht. Nun ließen sich auch die Gesichtszüge des Fremden erkennen. Seine Haut war von rötlicher Farbe, fast kupferartig. Sie glänzte schwach, als wäre sie mit Öl bepinselt. Sein Haar war noch röter, wenn auch einen Tupfer heller, und hing in dicken und dichten Locken von seinem Kopf. Sogar seine Augen schimmerten zimtfarben.
Er beobachtete sie ohne Unterlass und stand da wie eine Marmorstatue. Zum ersten Mal bemerkte Quentin nun einen kurzen Speer, der hinter dem Rücken in den Gürtel gesteckt war und an einer Seite herausragte.
»Was trägt er denn da in der Hand?«, flüsterte er Tamis zu.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, ein Blasrohr, aber eines von dieser Größe habe ich nie zuvor gesehen. Dort, das Stück, das in der Mitte angebracht ist? Das könnte ein Köcher für die Pfeile sein.« Sie verstummte, fuhr jedoch kurz darauf fort: »Wir können nicht länger warten. Langsam sollten wir herausfinden, was er will. Bleib hier, während ich die anderen wecke.«
Sie erhob sich, ging von Panax zu den Elfenjägern, weckte sie alle, beugte sich vor, um sie zu warnen und ihnen einzuschärfen, keine vorschnelle Reaktion zu zeigen. Einer nach dem anderen setzten sie sich auf und blickten hinüber zu dem Fremden, der weiterhin dastand und sie beobachtete.
Tamis stellte sich wieder zu Quentin und beugte sich zu ihm vor. »Das könnte heikel werden. Bestimmt ist er nicht allein. Seine Begleiter verstecken sich wahrscheinlich in den Bäumen. Ansonsten würde er sich nicht so offen präsentieren, wenn ihm nicht jemand den Rücken deckte. Er scheint ja fast den Köder zu spielen, um unsere Reaktion zu prüfen. Geben wir ihm also keinen Anlass zu denken, wir hätten kriegerische Absichten.«
Damit ging sie gemächlich zu ihm hinüber. Sie ließ die Hände an den Seiten hängen und zog keine ihrer Waffen aus der Scheide. Quentin hörte, wie sie ihn in der Elfensprache begrüßte, und danach, als er darauf nicht reagierte, in verschiedenen anderen. Mit keiner hatte sie Erfolg, selbst nicht mit dem halben Dutzend Ausdrücke eines Trolldialekts, die sie kannte.
Dann plötzlich sagte der Fremde etwas. Während er sprach, enthüllte er Zähne, die nicht weiß waren, sondern die Farbe von poliertem Kupfer hatten. Seine Stimme klang rau und kehlig, und Quentin konnte kein Wort verstehen. Tamis wirkte ebenfalls hilflos.
»Augenblick mal.« Panax stand auf und ging zu den beiden hinüber. »Ich glaube, er benutzt eine Zwergensprache, einen sehr alten Dialekt, eine eigentümliche Mischung. Lass mich mal probieren.«
Er redete auf den Fremden ein, ließ sich dabei Zeit, probierte zunächst nur einige Wörter, wartete auf Antwort, versuchte es erneut. Der Fremde lauschte und erwiderte schließlich etwas. So ging es einige Minuten lang hin und her, ehe Panax sich wieder an seine Gefährten wandte. »Ich verstehe einiges, aber leider nicht alles. Kommt herüber und stellt euch zu mir. Ich glaube, der Knabe ist ganz in Ordnung.«
Und schon unterhielt er sich weiter mit dem Fremden. Tamis blieb bei den beiden, während sich nun auch Quentin, Kian und Wye hinzugesellten.
»Er sagt, er sei ein Rindge. Sein Volk lebt in Dörfern am Fuße der Berge, da hinten in der Ferne. Es siedelt seit Jahrhunderten in diesem Gebiet. Sie leben von der Jagd, und er gehört zu einer Truppe, die in der Nacht auf uns gestoßen ist.« Er sah Tamis an. »Du hattest Recht. Er ist nicht allein. Weitere Rindge begleiten ihn. Wie viele, weiß ich zwar nicht, aber ich denke, sie werden uns umzingelt haben.«
»Frag ihn, ob er außer uns noch andere Menschen gesehen hat«, schlug Tamis vor.
Panax sprach einige Worte und hörte sich die Antwort seines seltsamen Gesprächspartners an. »Er meint nein. Außerdem will er wissen, was wir hier machen.«
Die Unterhaltung
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