Shannara VIII
brauchte nur auf seinen Speicher zuzugreifen, so wie er sich Energie aus seinen Batterien holte, und dort würde er das Wissen finden, wie diese Verteidigungseinrichtungen und Waffen funktionierten. Dieses Wissen musste angewendet werden, um die Direktive auszuführen; daraus musste Antrax lernen, wie er überlebte. Wenn Waffen erforderlich wurden, sollte Antrax sie einsetzen. Falls es nicht genug gab oder andere gebraucht wurden, musste Antrax sie bauen. Versuchte jemand, die Räume zu betreten, ohne den richtigen Code einzugeben, musste das Eindringen verhindert werden - sogar, wenn dies Menschenleben kosten würde.
Diese letzte Ermahnung verstieß gegen alle vorherigen Programme, aber der Befehl hatte oberste Priorität. Gewalt gegen Menschen galt nun als zulässig, Töten war erlaubt. Antrax erhielt die Kontrolle über sein eigenes Schicksal. Niemand durfte seine Existenz, seinen Zweck und seine Funktion gefährden. Ohne Kenntnis des Codes durfte niemand sein Reich betreten. So lautete die neue Direktive. Auf diese Weise wurde Antrax in den Tagen der Apokalypse neu programmiert, und danach verschwand auch der letzte Schöpfer.
Danach blieb Antrax lange Zeit allein. Niemand versuchte, ihn zu finden. Niemand wagte sich auch nur in seine Nähe. In der Ruinenstadt bewegte sich nichts. Keine Menschen, keine Tiere, nicht einmal Insekten oder Vögel. In der Luft lag Staub, der vom Schutt hochgetrieben wurde, und nichts lebte in diesem düsteren Dunst. Antrax hielt in den Katakomben Wache. Er beschützte sie aufmerksam, raste durch die Kommunikationsleitungen, durch die Myriaden von Sälen und Räumen, in seine Speicherbänke und Energiezellen, durch sein gesamtes Königreich. Immer wachte er. Lange Zeit hätte es eigentlich keinen Anlass gegeben, dies zu tun; draußen gab es nichts zu beobachten. Nichts außer Ödland.
Manchmal fragte er sich, warum er die unterirdischen Räume bewachte. Man hatte ihm erklärt, er würde dort wohnen, allerdings verstand er nicht, aus welchem Grund das für seine Schöpfer so wichtig war. Einiges natürlich schon, ganz offensichtlich. Zum größten Teil stellte es ihn jedoch vor ein Rätsel. Antrax war programmiert worden, die Rätsel zu lösen, die sich ihm stellten, und daher suchte er nach einer Lösung für dieses. Er forschte in seinen Speichern nach Hilfe und fand keine. Die Speicherbänke waren riesig, aber die dort gespeicherten Informationen erwiesen sich nicht immer als nützlich. Worte konnten vage und verwirrend sein, insbesondere, wenn sie losgelöst von ihrem Kontext dastanden. Mathematik und Technik stellten meist die einerseits vertrautesten und andererseits nutzbringendsten Konzepte dar, denn mit ihrer Hilfe war Antrax konstruiert worden. Andere Worte dagegen bildeten nur Abfolgen von Symbolen, die ihm nichts sagten, und die Zeichnungen verwirrten ihn. Riesige Mengen an Informationen, die ihm zur Verfügung standen, schienen sinnlos zu sein, so sehr, dass er mit wachsendem Wissen und zunehmender Autarkie sogar die Programmierung seiner Schöpfer in Frage stellte.
Aber die Direktive ließ sich nicht verändern. Alles innerhalb der Katakomben war wertvoll. Kein einziges Teilchen durfte zerstört werden. Kein Fitzelchen durfte verloren gehen. Alles sollte für den Moment bewahrt werden, in dem die Schöpfer zurückkehrten.
Nur wann wäre dieser Moment gekommen? Antrax konnte sich schwach an einen Plan für eine solche Zeit erinnern, doch die Direktive des letzten Schöpfers hatte dieses Wissen verklärt und die Einzelheiten gelöscht. Offensichtlich gab es keine Regeln dafür, wann die Katakomben wieder geöffnet werden sollten. Oder für wen. Die Katakomben, die Antrax bewachte, durften nicht beschädigt werden, mussten im Verborgenen bleiben und gesichert werden.
Für immer.
Als das erste dieser vierbeinigen Geschöpfe in die Ruinen wanderte, Jahre, nachdem der letzte Schöpfer verschwunden war, stand Antrax bereit. In seinen Speicherbänken hatte er die Einzelheiten der Verteidigungseinrichtungen und Waffen studiert, die man ihm gegeben hatte, und nun benutzte er sie. Mühelos zerteilten Laser viele der Eindringlinge. Metallene Wachposten und Kampfeinheiten erledigten den Rest. Die vierbeinigen Geschöpfe stellten keine Herausforderung dar, doch immerhin boten sie Antrax die Möglichkeit zu testen, ob er zur Befolgung der Direktive fähig war.
Später versuchten Menschen in die Ruinen einzudringen, erkundeten eingestürzte Kammern und zerbröckelnde Gänge,
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