Shannara VIII
erschienen. Er fragte sich, ob sie ihn ebenso spüren konnte wie er sie. Eigentlich glaubte er das nicht. Schließlich hatte er Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um sich zu tarnen, und daher dürfte er mit den Bäumen, der Rinde und dem Holz verschmelzen, mit dem Laub und den Knospen. In seiner gegenwärtigen Gestalt hatte sich von seinem menschlichen Teil nichts erhalten. Aus diesem Grund konnte sie seine Gegenwart nicht enttarnen.
Dann erschien sie plötzlich, trat aus den Bäumen heraus und blieb stehen. Der Caull hielt sich an ihrer Seite. Lange Zeit starrte sie in die Nacht hinein und war nur als vager Schemen in der sternerhellten Dunkelheit, als Schatten im Wald zu erkennen. Nach einer Weile verschwand sie wieder, mit ihr der Caull, und ein bisschen später tauchte sie ein Stückchen weiter wieder zwischen den Bäumen auf und starrte erneut auf das offene Gelände hinaus. Was machte sie da? Er beobachtete sie aufmerksam und schaute zu, wie sie immer wieder verschwand und auftauchte, mehrere Male. Offensichtlich suchte sie nach etwas, nach einem Weg hinüber zum anderen Wald vielleicht. Weshalb aber so viele Umstände? Nachdem sie sich gezeigt hatte, konnte sie die Lichtung einfach überqueren.
Die Zeit verstrich. Truls Rohk war zusehends unbehaglicher zumute bei dem, was er beobachtete. Sie war da, doch sie tat nichts. Nicht einmal den Caull hatte sie vorgeschickt, um das zu untersuchen, was sie beunruhigte. Auf diese Weise verlor sie Zeit, was sie sich nicht leisten konnte.
Auftauchen und verschwinden, kommen und gehen, sie erinnerte ihn an ein Gespenst, das herumgeisterte -
Er zuckte zusammen und fuhr mit einem Ruck von dem Ast hoch, auf dem er lag, als ihn die Erkenntnis siedend heiß erfüllte. Sie war ein Gespenst. Ein Gespenst aus Magie. Nicht sie sah er da. Sogar, wenn sie seine Anwesenheit nicht spüren konnte, so hatte sie diese wenigstens geahnt. Die Falle, die man ihr hier stellen konnte, hatte sie förmlich gerochen und sich dazu entschlossen, den Spieß umzudrehen. Dazu benutzte sie Bilder, die ihm vorspiegelten, sie sei immer noch drüben im Wald. Dabei war sie längst an ihm vorbei und unterwegs zu dem Jungen.
Plötzlich wusste er es mit Gewissheit, und genauso sicher war er, dass ihm nicht mehr genug Zeit blieb, um sie einzuholen.
Narr! Du törichter Narr!
Einen Moment später war er von dem Baum geklettert und rannte durch die Nacht den Weg zurück, den er gekommen war.
Als seine Schwester aus dem Wald trat, saß Bek noch immer an der Stelle, wo ihn der Gestaltwandler zurückgelassen hatte. Durch ihr Erscheinen geriet er keineswegs in Panik, und er wollte auch nicht fliehen. Schließlich hatte er gewusst, dass sie kommen würde. Die Gestaltwandler hatten es ihm erzählt, und er hatte ihnen geglaubt. Natürlich hatte er in Erwägung gezogen, vor ihr davonzulaufen und tiefer in die Berge zu flüchten, aber am Ende entschied er sich dagegen. Er hatte keine Ahnung, weshalb, aber er glaubte ihnen. Mit Davonlaufen würde er die Sache nicht lösen. Er musste sich ihr stellen.
Während sie näher kam, erhob er sich, blieb jedoch ganz ruhig und befand sich eigenartigerweise im Frieden mit sich. Er trug das Schwert von Shannara auf dem Rücken, doch er griff nicht danach. Waffen würden ihm bei dieser Sache keinerlei Hilfe sein; ein Kampf wäre ihm nicht dienlich. Seine Schwester, die Ilse-Hexe, würde auf beides übel reagieren, ihm dagegen war wichtig, dass sie um seine Sicherheit besorgt war. Vielleicht hatten die Gestaltwandler bei ihm dieses Gefühl erzeugt, ihm könne in diesen Bergen kein Leid widerfahren. Was auch immer sie mit ihm anstellen würde, sie täte es nicht hier, sondern an einem anderen Ort. Das gab ihm Zeit, eine Möglichkeit zu finden, ihr die Wahrheit begreiflich zu machen.
»Du wirkst nicht gerade überrascht, mich zu sehen«, sagte sie milde und bewegte sich in ihrer zusammengebundenen Robe auf ihn zu, wobei ihr Gesicht im Schatten der Kapuze verborgen lag. Dabei blickte sie ihn forschend an. »Du hast gewusst, dass ich komme, oder?«
»Ich wusste es. Wo ist Truls Rohk?«
»Der Gestaltwandler?« Sie zuckte mit den Schultern. »Sucht vermutlich immer noch nach mir, obwohl er mich dort nicht finden kann. Diesmal kommt er zu spät, um dir zu helfen.«
»Ich will seine Hilfe gar nicht. Diese Angelegenheit müssen wir beide unter uns austragen.«
Sie blieb ein Dutzend Schritte vor ihm stehen, und er spürte ihre Anspannung.
»Willst du etwa zugeben, dass du mich
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