SHANNICE STARR (German Edition)
ins Wasser und zog ihn rasch wieder zurück. Eine Weile ging sie auf der Stelle, verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere und kam schließlich zu dem Schluss, dass ihr Zaudern nichts nutzte. Beherzt wagte sie sich einen Schritt vor und stand bis zu den Knöcheln im Wasser. Ihr Atem ging stoßweise, aber Shannice ließ sich nicht beirren und ging weiter vor. Als sie bis zu den Hüften in dem Flüsschen stand, benetzte sie Arme und Oberkörper, ging in die Hocke und tauchte bis zum Hals ein. Ihr Herz wollte stehen bleiben, als die Kälte in ihre Haut stach. Schwer atmend schloss sie die Augen, verursachte keine Bewegung und merkte, dass sie sich allmählich entspannte.
Ich muss verrückt sein, pochte es in ihren Gedanken, doch nach dieser übermenschlichen Überwindung wollte sie erst recht nicht aufgeben. Zaghaft wirbelte sie Wasser auf und wusch sich, ließ sich nach hinten auf den Rücken fallen und trieb sekundenlang auf der Oberfläche. Einmal vollständig eingetaucht, verloren die eisigen Fluten ihren Schrecken, bis das Klappern ihrer Zähne sie nachdrücklich aufforderte, an Land zu gehen und wärmende kleidung anzuziehen.
Tropfnass kletterte sie aus dem Fluss, hopste über schmelzende Eisplatten an Böschung und Wegesrand und rieb sich mit den Handflächen die Nässe von der Haut. Zitternd griff sie nach Hemd und Hose, um sich anzukleiden. Trotz des klammen Gefühls ging es ihr richtig gut, als sie zum Schluss den Wintermantel über ihre Schultern fallen ließ. Shannice saß auf und spornte ihren Hengst an. Die Grenze nach Kansas war nicht mehr weit …
Die eisenbeschlagenen Räder der Postkutsche ratterten über Eis und gefrorenes Erdreich. Der Mann auf dem Kutschbock war in einen dicken Mantel und eine Decke gehüllt. Seine starren Finger umklammerten die Zügel, als wären sie daran festgeklebt. Mit fast unmerklichen Bewegungen drosselte er das Tempo der sechs Zugpferde.
»Verdammt!«, tönte die Stimme eines Reisenden, der sich aus dem Seitenfenster lehnte. »Warum geht’s nicht weiter? Ich muss den Zug in Denver erwischen!«
»Die Gäule brechen sich noch den Hals auf dem eisigen Untergrund!«, rief der Kutscher zurück. »Wir kommen schon rechtzeitig an.«
Rick Montana gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.
»Ich habe einen wichtigen Termin in Kansas City!«, schwoll sein Organ zu beträchtlicher Lautstärke an. »Wenn ich den Zug verpasse, habe ich eine volle Woche verloren!«
»Sie verlieren noch weitaus mehr, wenn die Kutsche in dieser Einöde liegen bleibt, Mister!«
»Ich rede von einer Menge Geld, das mir durch die Lappen geht, wenn ich in Kansas City nicht pünktlich ankomme!« Rick Montana zitterte vor Wut. Der Kutscher hingegen ließ sich nicht beeindrucken.
»Hinter mir liegt eine Menge Geld auf dem Bock, auf das die Colorado National Bank wartet«, entgegnete er. »Die werden auch nicht begeistert sein. Aber Sicherheit geht nun einmal vor.«
Montana schlug mit der Faust gegen die Tür.
»Dass Sie etwas von Geldgeschäften verstehen, erwarte ich nicht!«, schrie er entrüstet. »Aber bringen Sie zum Teufel noch mal diese Kutsche schnellstens nach Denver!«
Der Kutscher murmelte etwas Unverständliches, das sich nach einer Verwünschung anhörte, während sich Rick Montana genervt auf die Sitzbank zurückfallen ließ. Sein Blick streifte die Gesichter seiner zwei Mitreisenden, die ihm gegenüber saßen. Einer von ihnen schüttelte dezent den Kopf, wandte sich ab und sah aus dem Fenster.
»Passt Ihnen irgendetwas nicht?«, schnauzte Montana ihn an und schob seine Nickelbrille ein Stück vor. »Nur heraus mit der Sprache!«
Wieder drehte der Angesprochene den Kopf und sah Montana an. In seinen Augen schimmerte Verachtung.
»Sie benehmen sich wie ein halsstarriges Kind«, meinte er ruhig. »Vernunft scheint für Sie ein Fremdwort zu sein.«
»Falls Sie auch einmal auf dem Rindermarkt spekulieren«, schnarrte Rick Montana zurück und vermied es, seinem Gegenüber an den Hals zu springen, »dürfen Sie Ihre Weisheiten gerne erneut an den Mann bringen.« Er verzog angewidert den Mund. »Idiot!«
Eine Reaktion des Mitreisenden blieb aus, denn in diesem Moment hielt die Kutsche abrupt an, und Montana sprang hoch. Wutschnaubend stieß er die Tür des Fuhrwerks auf.
»Wollen Sie mich ruinieren?«, peitschte Montanas Stimme. »Warum halten wir?« Es fiel ihm schwer, nicht unverzüglich auf den Kutschbock zu klettern und das Gespann persönlich
Weitere Kostenlose Bücher