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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Sassoon-Dock-Viertel. Viele waren der Ansicht, dass man im Saurabh die besten Masala Dhosas von ganz Bombay bekam – und das in einer Stadt, in der fünftausend Restaurants um diese Ehre wetteiferten. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – seines guten Rufes war das Saurabh klein und relativ unbekannt. Es fand weder Erwähnung in Reiseführern noch in den Feinschmeckerkolumnen der Tageszeitungen. Es war ein Arbeiterrestaurant, von morgens bis abends gut besucht von Männern und Frauen, die es über die Maßen schätzten und niemandem davon erzählten. Die Mahlzeiten kosteten dementsprechend nicht viel, und die Einrichtung war funktional und schnörkellos, doch alles war makellos sauber, und die knusprigen segelgroßen Dhosas, die von den Kellnern im Laufschritt zu den Tischen gebracht wurden, enthielten die köstlichste Gewürzmischung von ganz Bombay.
    »Für mich«, fuhr Khader fort, »verhält es sich andersherum. Für mich ist das entscheidende Kriterium, inwieweit ein Verbrechen eine Sünde ist. Du hast mich gerade gefragt, warum wir nicht mit Prostitution und Drogen Geld verdienen, wie die anderen Mafia-Klans, und ich antworte dir: wegen der Sündhaftigkeit dieser Verbrechen. Deshalb verkaufe ich grundsätzlich keine Kinder, Frauen, Pornografie oder Drogen. Deshalb lasse ich solche Geschäfte in meinen Gebieten nicht zu. Diese Verbrechen sind so sündhaft, dass man für den Profit, den man aus ihnen schlägt, seine Seele verkaufen muss. Wenn man das aber einmal getan hat, kann man sie nur durch ein Wunder zurückgewinnen.«
    »Glaubst du an Wunder?«
    »Aber sicher. Im Grunde unseres Herzens glauben wir alle an Wunder.«
    »Ich fürchte, ich nicht«, bekannte ich lächelnd.
    »Oh, du ganz sicher auch«, beharrte er. »Würdest du nicht sagen, dass deine Rettung aus dem Arthur-Road-Gefängnis ein Wunder war?«
    »Zumindest kam es mir damals wie ein Wunder vor, das muss ich zugeben.«
    »Und als du in deiner Heimat, in Australien, aus dem Gefängnis ausgebrochen bist, war das nicht auch ein Wunder?«, fragte er leise.
    Es war das erste Mal, dass er meinen Gefängnisausbruch erwähnte. Ich hatte natürlich angenommen, dass er davon wusste und sich oft darüber Gedanken gemacht hatte. Doch indem er dieses Thema nun ansprach, verdeutlichte er mir, was es mit meiner Errettung aus dem Arthur-Road-Gefängnis tatsächlich auf sich hatte. Tatsache war, dass er mir zwei Gefängnisaufenthalte erspart hatte – einen in Indien und einen in Australien – und ich doppelt in seiner Schuld stand.
    »Ja«, erwiderte ich langsam, aber mit fester Stimme. »Es war wohl wirklich eine Art Wunder.«
    »Wenn du nichts dagegen hast – das heißt, wenn es nicht quälend für dich ist –, würde ich gern etwas mehr über deine Flucht aus diesem Gefängnis in Australien erfahren. Vielleicht sollte ich aber noch dazu sagen, dass ich deine Flucht – aus ganz persönlichen Gründen – faszinierend finde und zutiefst beeindruckt bin.«
    »Es macht mir nichts aus, darüber zu reden«, antwortete ich. »Was möchtest du wissen?«
    »Warum bist du ausgebrochen?«
    Khaderbhai war der Einzige, der mir diese Frage je stellte. In Australien und in Neuseeland hatte man mich öfter nach dem Gefängnisausbruch gefragt. Die Leute wollten wissen, wie ich ihn bewerkstelligt hatte und wie mein Leben auf der Flucht aussah. Doch nur Khaderbhai fragte mich, warum ich gefohen war.
    »Im Gefängnis gab es einen Straftrakt. Die Wärter dort – nicht alle, aber viele – waren verrückt. Sie haben uns gehasst. Ich weiß nicht, warum. Ich kann es nicht erklären. Es war einfach so. Sie haben uns fast jede Nacht gefoltert. Und ich habe mich gewehrt. Ich musste mich einfach wehren. Das liegt wohl in meiner Natur – ich kann so etwas nicht hinnehmen, ohne mich zu wehren. Was natürlich alles nur noch schlimmer gemacht hat. Ich bin … na ja, die haben mich in die Mangel genommen, und es war … ziemlich übel. Ich war nur kurz in diesem Straftrakt. Aber ich hatte noch eine lange Haftstrafe vor mir, und ich wusste, dass die früher oder später wieder einen Grund finden würden, mich da reinzustecken. Oder dass ich selbst so blöd sein würde, ihnen einen zu liefern – schwierig war das nicht, das kannst du mir glauben. Ich dachte mir, wenn ich wieder in den Straftrakt gesteckt werde und die mich in die Finger kriegen, werden sie mich wieder foltern, und ich werde mich wehren, und wahrscheinlich bringen sie mich dann um. Deshalb bin ich

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