Shantaram
Hünen, bis dieser endlich in sich zusammensackte und zu Boden ging. Er war erledigt. Sein Hinterkopf war Brei. Ich wusste, dass sein Schädel an mehreren Stellen gebrochen war. Erstaunlicherweise war er immer noch bei Bewusstsein.
Wir bearbeiteten die Männer eine geschlagene halbe Stunde, bis sie ihre anfängliche Weigerung, mit uns zu reden, aufgaben. Rahim gesellte sich zu uns und sprach auf Englisch und in ihrem nigerianischen Dialekt mit ihnen. Ihre Pässe verrieten uns, wer sie waren – nigerianische Staatsbürger mit Touristenvisum. Anderen Hinweisen in ihren Brieftaschen und ihrem Gepäck war zu entnehmen, wo sie in Lagos gewohnt hatten, bevor sie nach Bombay gekommen waren. Stück für Stück kam die Geschichte ans Licht. Sie waren Killer, gedungene Mörder, die ein Gangster in Lagos beauftragt hatte, weil ein Riesendeal mit Heroin und Mandrax-Tabletten schiefgelaufen war, bei dem es über sechzigtausend Dollar ging – Geld, um das man ihren Boss aus Lagos in Bombay betrogen hatte. Der Betrüger, wer auch immer es gewesen sein mochte, hatte mich als Drahtzieher genannt, als denjenigen, der für die Abzocke verantwortlich war.
So viel an Information rückten die Killer heraus, doch dann mauerten sie. Sie wollten mir weder den Namen des Gangsters nennen, noch wollten sie preisgeben, wer mir diese Sache angehängt hatte. Ohne die ausdrückliche Erlaubnis ihres nigerianischen Bosses wollten sie den Kerl nicht verraten. Wir bestanden jedoch darauf, und sie ließen sich überzeugen. Der Name des Mannes lautete Maurizio Belcane.
Ich drückte das Auge des Hünen in seine Höhle zurück, doch es starrte mich irgendwie aus einem eigenartigen Winkel an. Aus der Art und Weise, wie er den Kopf drehte, um mich anzusehen, schloss ich, dass er noch nicht wieder damit sehen konnte, ja, ich vermutete sogar, dass es nie mehr richtig sitzen würde. Wir verschlossen das Auge mit Klebeband, verbanden dem Mann den Kopf und fesselten die anderen. Dann redete ich mit ihnen.
»Diese Männer hier werden euch zum Flughafen bringen und auf dem Parkplatz absetzen. Dort wartet ihr. Morgen früh geht ein Flugzeug nach Lagos, das nehmt ihr. Wir kaufen euch von eurem Geld Tickets. Und damit eins klar ist: Ich hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun. Es ist nicht eure Schuld, sondern Maurizios, aber das macht die Sache nicht besser. Maurizio wird dafür büßen, dass er Lügen über mich erzählt hat. Aber das ist jetzt meine Sache. Ihr könnt zu eurem Boss zurückgehen und ihm sagen, dass Maurizio kriegen wird, was er verdient. Aber wenn ihr es jemals wagen solltet, hier wieder aufzutauchen, machen wir euch kalt. Ist das klar? Wenn ihr nochmal nach Bombay kommt, ist es aus mit euch.«
»Ja, Mann, ist das klar?«, schrie Vikram und trat nach ihnen. »Für wen haltet ihr euch eigentlich, ihr verdammten Drecksäcke? Dass ihr euch mit Indern anlegt! Indien ist gegessen für euch! Wenn ihr nochmal hierherkommt, schneid ich euch eure verdammten Eier ab, Mann! Und zwar höchstpersönlich! Seht ihr diesen Hut? Seht ihr diese Delle in meinem Hut, ihr verdammten bahinchhud ? Ihr habt eine verdammte Delle in meinen Hut gemacht! Man vergreift sich nicht an dem Hut eines Inders! Man vergreift sich überhaupt nicht an einem Inder, egal ob mit Hut oder ohne! Nie und nirgends! Aber schon gar nicht, wenn er einen Hut trägt!«
Ich ließ die anderen in dem Hotelzimmer zurück und fuhr mit dem Taxi zu Ullas Wohnung. Wenn jemand wusste, wo Maurizio war, dann sie. Mein Hals tat weh, und ich konnte kaum sprechen. Ich konnte an nichts anderes denken als an die Pistole in meiner Tasche. Sie schwoll in meiner Vorstellung zu gigantischer Größe an, bis die schmalen, länglichen Erhebungen auf dem Griff wie die dicken Rippen von Korkeichenrinde aussahen. Es war eine Walther P 3 8, eine der besten halbautomatischen Pistolen, die je gebaut worden sind. Sie hatte ein Acht-Schuss-Magazin bei einem Kaliber von neun Millimetern, und in Gedanken sah ich mich alle acht Geschosse in Maurizios Körper jagen. Ich murmelte seinen Namen vor mich hin, Maurizio, Maurizio, und im Kopf hörte ich eine Stimme, eine mir sehr vertraute Stimme sagen: Sieh zu, dass du die Pistole loswirst, bevor du ihm begegnest …
Ich klopfte laut an die Wohnungstür, und als Lisa aufmachte, schob ich mich an ihr vorbei ins Wohnzimmer, wo Ulla auf einer Couch saß. Sie weinte. Als ich eintrat, blickte sie auf, und ich sah, dass ihr linkes Auge geschwollen war, so, als hätte sie jemand
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