Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
verwirrt wegen meiner Gereiztheit und ein wenig ernüchtert. »Aber hab ich nie wieder vergessen dieses mein viel große Gefühl für sie. Von diesen Moment an. Und mach ich jetzt ein Hochzeit, und wird es jeden Tag nur immer noch viel, viel größer, dies viel großes Gefühl.«
    »Ich weiß nicht, ob wir das wirklich vertiefen müssen, Prabu …«, murmelte ich.
    »Frag ich dich, Lin«, sagte er mit erstickter Stimme und sah mich an. Tränen quollen ihm aus den Augen und fielen in seinen Schoß. Er sprach stockend, immer wieder von Schluchzern unterbrochen. »Ist sie so schön, die Parvati. Und ich – bin ich so sehr kleiner, kurzer Mann. Glaubst du, ich kann sein ein guter sexy Ehemann?«
    Während Prabaker weinend neben mir im Auto saß, erklärte ich ihm, dass die Liebe uns Menschen groß und der Hass uns klein macht. Ich sagte meinem kleinen Freund, er sei einer der größten Männer, die ich kenne, weil er keinerlei Hass in sich trage. Ich sagte ihm, dass er für mich immer größer würde, je länger ich ihn kannte, und dass das etwas ganz Besonderes war. Und ich scherzte und lachte mit ihm, bis dieses wunderbare Lächeln, so innig wie der innigste Wunsch eines Kindes, wieder auf seinem sanften runden Gesicht erstrahlte. Als er schließlich davonfuhr, zum Junggesellenabschied, der ihn im Slum erwartete, hupte er triumphierend und so lange, bis er außer Sicht- und Hörweite war.
    Die Nacht, die mich danach noch lange auf den Beinen hielt, war einsamer als sonst. Ich ging nicht mehr ins Leopold’s zurück. Stattdessen lief ich den Causeway entlang, an meiner Wohnung vorbei und zum Slum an der Cuffe Parade. Ich fand die Stelle, wo Tariq und ich uns in der Nacht der wilden Hunde gegen die rasende Meute zur Wehr gesetzt hatten. Es lag immer noch ein kleiner Haufen Restholz und Steine dort. Ich saß rauchend in der Dunkelheit und beobachtete die Slumbewohner, die mit geruhsamer Anmut über den staubigen Weg zu ihrer Hüttenansammlung zurückkehrten. Ich musste lächeln. Allein der Gedanke an Prabakers Lächeln hatte diesen Effekt, so als würde ich einen fröhlichen, gesunden Säugling betrachten. Dann stieg aus dem Flackern der Laternen und den nebelartigen Rauchfahnen das Bild von Modenas Gesicht auf, zerfloss aber wieder, ehe es vollständig Form angenommen hatte. Jetzt begann im Slum Musik zu spielen. Einige vorbeischlendernde junge Männer beschleunigten ihren Schritt und eilten den mitreißenden Klängen entgegen. Prabakers Junggesellenabschied hatte begonnen. Er hatte mich eingeladen, doch ich brachte es nicht über mich hinzugehen. Ich war nahe genug, um die Fröhlichkeit zu hören, aber weit genug entfernt, um sie nicht zu spüren.
    Nachdem die Gefängniswärter mich damals zum Verrat an der Schauspielerin und unserer Liebe hatten zwingen wollen, hatte ich mir jahrelang eingeredet, dass die Liebe mich stark gemacht hätte. Doch irgendwie hatte der ständige quälende Gedanke an Modena endlich die Wahrheit aus meinem tiefsten Inneren hervorgelockt, und ich musste mir eingestehen, dass ich nicht aus Liebe zu dieser Frau stumm geblieben war. Auch nicht, weil ich besonders tapfer war. Was mir die Kraft gegeben hatte dichtzuhalten, war reine Sturheit gewesen, dickschädelige, störrische Sturheit. Meine Beweggründe waren alles andere als edel gewesen. Und so sehr ich auch Menschen, die Schwächere einschüchterten und schikanierten, wegen ihrer Feigheit verachten mochte – hatte ich nicht selber ähnlich gehandelt, als meine Verzweiflung überhandnahm? Als die Heroinsucht ihre Drachenklauen in meinen Rücken schlug, wurde ich zu einem kleinen, einem winzigen Mann. Ich wurde so klein, dass ich eine Waffe benutzen musste. Ich musste andere Menschen, Männer und Frauen, mit der Pistole bedrohen, um an Geld heranzukommen. An Geld. Was unterschied mich da noch von Maurizio, der Frauen einschüchterte und schikanierte, damit sie für ihn anschaffen gingen? Und wenn ich bei einem dieser Raubüberfälle umgekommen wäre, wenn die Bullen mich erschossen hätten, so wie ich es damals gewollt und erwartet hatte, dann hätte mein Tod ebenso wenig Mitleid hervorgerufen – und ebenso wenig Mitleid verdient – wie der Tod des verrückten Italieners.
    Ich stand auf und reckte mich, sah mich um und dachte an die Hunde, an den Kampf, an die Tapferkeit des kleinen Tariq. Als ich mich wieder auf den Rückweg in Richtung Altstadt machte, hörte ich ein vielstimmiges fröhliches Gelächter von Prabakers Party, dem donnernder

Weitere Kostenlose Bücher