Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
waren, wenn du weißt, was ich meine. Ich war schon verrückt, als ich da anfing. Bin aber trotzdem durchgeknallt. Wir alle mussten … wir mussten da ziemlich … abgedrehten Scheiß machen …«
    »Das hast du mir erzählt«, sagte ich ruhig.
    »Hab ich dir erzählt?«
    »Ja.«
    »Was hab ich denn erzählt?«
    »Ziemlich viel. An dem Abend, an dem ich vorbeikam, um meine Klamotten bei Karla abzuholen. Mit diesem Kid, Tariq. Du warst ziemlich betrunken und stoned.«
    »Und darüber hab ich geredet?«
    »Ja. Hast du.«
    »Großer Gott! Ich hab keinerlei Erinnerung daran. Ich kam grade auf den Affen. Das war der erste Abend, an dem ich versucht hab – an dem ich es geschafft hab, von dem Zeug wegzukommen. Aber ich erinnere mich noch an den Jungen … und dass du dich nicht auf Sex mit mir einlassen wolltest.«
    »Oh, ich wollte eigentlich schon.«
    Sie sah mich von der Seite an. Sie runzelte ein wenig die Stirn, aber auf ihren Lippen lag ein Lächeln. Sie trug einen roten Salwar Kameez, und in dem starken Wind vom Meer zeichneten sich ihre Brüste und ihre Taille unter dem langen losen Seidenhemd ab. Mut und andere Mysterien schillerten in ihren blauen Augen. Sie war tapfer und verletzlich und kraftvoll zugleich. Sie hatte sich von dem Leben in Madame Zhous Palace freigekämpft, in dem sie zu ertrinken drohte, und sie hatte das Heroin besiegt. Um das Leben ihrer Freundin und ihr eigenes zu schützen, hatte sie zum Tod eines Mannes beigetragen. Sie hatte ihren Liebsten verloren, Abdullah, meinen Freund, der von Kugeln durchlöchert und zerfetzt worden war. All das sah man in ihren Augen und in ihrem schmalen Gesicht, das dünner war, als es hätte sein dürfen. All das konnte man sehen, wenn man wusste, wonach man suchen sollte und wo.
    »Und wie bist du im Palace gelandet?«, fragte ich. Sie zuckte ein bisschen zusammen, als ich das Thema wechselte.
    »Ich weiß auch nicht«, sagte sie und seufzte. »Als ich von zu Hause weglief, war ich noch ein Kind. Ich hielt es da einfach nicht aus. Musste weg. Und dann war ich im Handumdrehen eine minderjährige Fixerin, die in L. A. auf den Strich ging und ständig von irgendeinem Zuhälter verprügelt wurde. Dann lernte ich einen netten, ruhigen, einsamen, sanften Typen kennen, Matt, in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe. Er war meine erste wirkliche Liebe. Ein Musiker, der schon ein paar Mal in Indien gewesen war. Er meinte, wenn wir Dope von Bombay nach Hause schmuggeln könnten, hätten wir genug Kohle für einen Neuanfang. Er sagte, wenn ich bereit wäre, das Dope zu transportieren, würde er die Tickets zahlen. Als wir ankamen, haute er mit allem ab – mit unserem Geld, meinem Pass und allem. Ich weiß bis heute nicht, was da passiert ist. Ob er kalte Füße gekriegt oder jemand anderen für den Job bekommen hat oder ob er es selbst machen wollte. Keine Ahnung. Ich saß jedenfalls mit meiner Heroinsucht in Bombay fest, ohne Geld und ohne Ausweispapiere. Zuerst hab ich Freier ins Hotelzimmer mitgenommen, um halbwegs durchzukommen. Nach ein paar Monaten tauchte ein Bulle auf und sagte, ich sei verhaftet und müsse in einen indischen Knast – es sei denn, ich wäre bereit, für eine Freundin von ihm zu arbeiten.«
    »Madame Zhou.«
    »Ja.«
    »Hast du sie jemals gesehen? Oder mit ihr selbst gesprochen?«
    »Nee. Außer Rajan und seinem Bruder hat niemand sie je gesehen oder mit ihr gesprochen. Nur Karla kennt sie. Und Karla hasst sie mehr als … so was hab ich noch nie zuvor erlebt. Karla hasst sie so sehr, dass es sie ziemlich verrückt macht, du verstehst schon. Sie denkt ständig an Madame Zhou. Und früher oder später wird Karla sie auch drankriegen.«
    »Diese Sache mit ihrem Freund Ahmed und mit Christina«, murmelte ich. »Karla glaubt, Madame Zhou hätte die beiden umgebracht, und gibt sich selbst die Schuld daran. Sie kann nicht davon ablassen.«
    »Ja, stimmt!«, sagte Lisa erstaunt und lächelte verwirrt. »Hat sie dir davon erzählt?«
    »Ja.«
    »Das ist echt erstaunlich!«, rief Lisa aus. »Karla spricht sonst nie mit jemandem darüber. Ich meine, wirklich mit niemandem. Aber vielleicht ist es auch nicht so verwunderlich. Du bist wirklich zu ihr durchgedrungen. Weißt du noch, damals als im Slum die Cholera umging? Da hat sie wochenlang davon geredet. Sie hat darüber gesprochen, als sei es eine Art heilige Erfahrung, so was wie eine Erleuchtung gewesen. Und sie hat viel von dir geredet. Ich habe sie noch nie so … begeistert erlebt, glaube

Weitere Kostenlose Bücher