Shaolin - Das Geheimnis der inneren Staerke
nämlich, dass alles im Fluss ist und alles miteinander zusammenhängt. Deshalb ist es auch nicht erstrebenswert, etwas zu behalten oder zu erreichen, um es dann zu bewahren. Damit würden wir uns nur gegen den natürlichen Lauf der Dinge stellen. Die beiden Protagonisten in der Shaolin-Geschichte repräsentieren in gewisser Weise diesen west-östlichen Gegensatz. Allerdings haben in den letzten Jahren buddhistische Weisheiten Eingang in unser westliches Denken gefunden, und der Fischer in der Geschichte kann uns als (Vor-)Bild dienen, wenn es darum geht, sich gelassen und innerlich stark durch Raum und Zeit zu bewegen: Er hat das Gespür dafür, wann es Zeit ist, aufs Meer hinauszufahren und zu fischen, wann es Zeit ist, am Ufer zu sitzen und nichts zu tun.
Sich in
Gelassenheit
üben
Die meisten Menschen wünschen sich mehr Gelassenheit und innere Ruhe. Doch in der Regel gelingt es uns eben nicht, ruhig zu bleiben, vor allem wenn um uns herum Unruhe herrscht und Dinge passieren, die uns nicht gefallen. Gerade in schwierigen Lebenssituationen, in denen wir so dringend mehr Gelassenheit bräuchten, fällt es uns besonders schwer, gelassen zu sein, weil wir häufig gegen das sind, was geschieht. Wir können dann nicht loslassen, sondern beschäftigen uns besonders intensiv und verbissen mit einer Situation, in der Annahme, wir könnten sie dadurch lösen oder verändern. Doch genau das Gegenteil ist meist der Fall: Je zwanghafter wir verändern wollen, umso weniger ändert sich – weil wir nicht loslassen und den Dingen nicht ihren Lauf lassen. Wenn wir nur erkennen könnten, dass auch schlechte Zeiten und unangenehme Gefühle vergehen, genauso wie sie kommen – wie viel weniger Leid und Drama würden wir erleben! Aus dieser Einsicht heraus entwickeln wir innere Stärke in Form von Gelassenheit!
Alles ändert sich – ständig!
Alles ist im Fluss – das betrifft auch die buddhistische Vorstellung vom Ich, während die westliche Welt von einem Ego ausgeht, das von der Geburt bis zum Tod gleich ist, im christlichen Glauben sogar über den Tod hinaus: Die Seele wird nach dem Tod aufbewahrt, bis sie erlöst wird. Diese Ich-Idee ist sehr anhaftend. Die buddhistische Philosophie kennt dagegen kein festes Ich-Konzept, sie hält das für ein gedankliches Konstrukt, eine große Illusion und pflegt die Vorstellung, dass wir uns ständig verändern – so wie sich alles verändert: »Das einzig Beständige ist der Wandel«, wie es die Zen-Weisheit auf den Punkt bringt. Deshalb akzeptieren Buddhisten die Vergänglichkeit der eigenen Existenz sowie aller Dinge und Lebewesen und haften nicht an ihnen an.
Diese Vorstellung deckt sich mit der Erkenntnis der Biologie, dass sich unsere Zellen permanent erneuern. Wir sind also physisch nie der gleiche Mensch, der wir gestern, vor fünf Monaten oder zehn Jahren waren. Fotos aus der Vergangenheit belegen dies ja auch. Und dass wir unser Wesen, unseren Charakter permanent verändern, indem wir uns weiterentwickeln, das dürfte ebenso offensichtlich sein. So ist das Einzige, was meist gleich bleibt und was uns vom Lebensanfang bis zum Tod begleitet, der Name, den uns unsere Eltern gegeben haben (und selbst den wechseln viele Menschen heutzutage des Öfteren).
»Unser Leben ist eine ständige Abfolge von verschiedenen Zuständen und Gefühlen . Nichts ist bleibend , nichts unbeweglich.«
[ Milidapana ]
Wie Psychologen herausgefunden haben, verändern sich sogar die Geschichten unseres Lebens immer wieder. Lässt man Menschen ihre Lebensgeschichte wiederholt erzählen, verändert sich diese häufig – und das nicht, weil sie bewusst etwas weglassen oder verzerren würden, sondern weil die momentane persönliche Verfassung die Geschichte verändert. Zudem beeinflussen natürlich auch die Lebensphasen, die persönliche Reife und das Lebensalter den Blick zurück.
Sobald es uns gelingt, diesen permanenten Wandel, diese ständige Veränderung zu erkennen, zu akzeptieren und zu verinnerlichen, werden wir dem Leben gegenüber automatisch gelassener und ruhiger. Gedanken, Gefühle und körperliche Befindlichkeiten kommen und gehen, heute fühlen wir uns so, morgen anders. Menschen, alle Lebewesen, das Wetter, selbst die Erde, die Sonne, die Planeten und das ganze Universum kommen und gehen, einfach alles.
Alles hängt mit allem zusammen
Neben der Einstellung, dass sich alles ständig verändert, gibt es noch eine zweite wesentliche buddhistische Einsicht in das Wesen der Dinge, die
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