Shaolin - Das Geheimnis der inneren Staerke
Shaolin-Mönche verinnerlicht haben: Alles hängt mit allem zusammen. Die tiefe Erkenntnis und Erfahrung dieser Gesetzmäßigkeit hebt die bedrohlichen Begleitgefühle von Trennungen (wie Wut, Eifersucht, Hass und Neid) ebenso auf wie das Gefühl der Einsamkeit – und führt so ebenfalls zu größerer Gelassenheit.
Da alles mit allem zusammenhängt und die Dinge ständig im Wandel sind, hat jede äußere Handlung und jede geistige Haltung unweigerlich Folgen. Das ist das buddhistische Prinzip des Karmas. Ein bereits ausführlich beschriebenes Beispiel für das Karma-Prinzip ist das Bewusstseinsrad. Wie weitreichend solche Handlungsketten und Verzahnungen sind, lässt sich an dem einfachen Beispiel des Papiers zeigen, auf dem dieser Text gedruckt ist. Es besteht überwiegend aus Holz, stammt also von Bäumen, die irgendwo gewachsen sind, die Wasser aufgenommen haben, das aus irgendeinem Meer irgendwann verdunstet ist und dann als Regen wieder auf die Erde fiel. Die Bäume wurden von Menschen gefällt, die alle eine eigene Geschichte haben, Generationen zurückreichend. Im Sägewerk wurden die Bäume bearbeitet, wieder von Menschen, die alle wiederum eine eigene Geschichte haben, Generationen zurückreichend. Danach wurde das Holz in der Papierfabrik weiterbehandelt, mit Kleister angereichert, gepresst, vielleicht gebleicht, mehrfach transportiert. Dann wurde das Papier geschnitten, in der Druckerei bedruckt und so weiter. Allein an dieser völlig unvollständigen Aufzählung wird deutlich, dass schon bei einem Blatt Papier unendlich viele Zusammenhänge und Bezüge (in Raum und Zeit) existieren. »Letztendlich besteht alles, was wir kennen, aus einem ständig sich verändernden und permanent wechselwirkenden kosmischen Tanz aus Energie.« Dieser Satz stammt von dem berühmten Kernphysiker Werner Heisenberg, könnte aber genauso gut aus der Shaolin-Tradition oder von Buddha kommen. Auch wir selbst leben in unendlich vielen Verbindungen mit anderen Menschen und Dingen. Doch wenn wir zu sehr auf unser Ego konzentriert und mit uns beschäftigt sind, vergessen wir das Drumherum. Wir sehen nur uns selbst mit unserem Schicksal, unserem Leben und Leiden – und pflegen damit unsere Schwäche. Würden wir uns gelassen als Teil eines Ganzen betrachten, kämen wir uns im ersten Moment vielleicht klein vor, würden aber an innerer Größe gewinnen.
ÜBUNG
Gelassenheit entwickeln
Wir können Gelassenheit durch das bewusste und intensive Wiederholen der Formulierung »gelassen im Moment niederlassen« entwickeln. Denken Sie diese Formulierung immer während des Ausatmens und machen Sie sich dabei Ihre Körperbasis (Gesäß, Becken, Unterbauch) im Kontakt zu Ihrer Sitzunterlage (Stuhl, Kissen oder Decke) bewusst. Stellen Sie sich dabei auch »gelassen im Moment niederlassen«, wie in der Metta-Meditation, vor und spüren Sie das Gefühl dabei. Wiederholen Sie gedanklich die Formulierung immer und immer wieder, bis sich Gegenwärtigkeit, Festigkeit, Ruhe und Gelassenheit in Ihnen mehr und mehr ausbreiten.
Den
richtigen
Augenblick
erkennen
Häufig prägen Ungeduld, Hektik und Zeitmangel unseren Alltag. Doch woher rührt das Gefühl, »zu wenig Zeit« zu haben? Um die Frage zu beantworten, lohnt es sich, den Zeitbegriff einmal näher anzusehen. Im alten Griechenland gab es interessanterweise drei unterschiedliche Bezeichnungen für »Zeit«. Das war zum einen »Chronos«, damit ist die Zeit gemeint, die wir objektiv zur Verfügung haben, also die 24 Stunden eines Tages, die 7 Tage einer Woche usw. Manchmal vergeht die Zeit für uns allerdings – subjektiv – schneller oder langsamer, je nachdem, wie intensiv, wie bewusst unser Leben gerade ist. Diese subjektive Wahrnehmung der Zeit leitet bereits zum zweiten Begriff, »Kairos«, über. Dieser meint den »richtigen Zeitpunkt« oder den »passenden Augenblick«. Hierfür können wir ein bewusstes Gefühl entwickeln, eine Intuition dafür, wann wir was am besten tun können. Der dritte Zeitbegriff heißt »Äon«, was »Zeitalter« und »Zeitabschnitt« bedeutet. Er wird zum Beispiel für die Lebensphasen wie Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter verwendet, den natürlichen Kreislauf der Jahreszeiten oder für den Wechsel von Tag und Nacht. Dabei löst ein Zeitabschnitt den anderen ab.
»Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit , die wir nicht nutzen .«
[ Seneca ]
Oft gehen wir falsch mit diesen drei Zeitebenen um: Wir stopfen zu viele Aktivitäten
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