Shaolin - Das Geheimnis der inneren Staerke
her schieben, sondern heute, gleich jetzt erledigen oder es zumindest in die Wege leiten und einen Termin vereinbaren. Auch den oft verschobenen Besuch bei unserer Oma im Altenheim können wir heute erledigen. Am nächsten Wochenende reicht natürlich auch, aber vielleicht gibt es ja kein nächstes Wochenende für die Oma. Vielleicht ist es morgen schon zu spät, »Danke« zu sagen oder »Ich liebe dich«. Ziel ist es, nichts offen zu lassen, was wirklich wichtig ist (siehe dazu auch Kapitel 8), egal, ob es sich um etwas Versäumtes oder um etwas Aufgeschobenes handelt. Die unwichtigen Angelegenheiten dürfen dagegen auch mal liegen bleiben: Die E-Mails, der Abwasch, die Bügelwäsche – das alles läuft uns bestimmt nicht weg, wenn wir die Oma besuchen oder einen lieben Freund treffen. Oder wollen wir wirklich jemand sein, der ein super organisiertes Büro und einen perfekt geführten Haushalt vorzuweisen hat, dafür aber seine wichtigsten Mitmenschen vernachlässigt?
Das Handeln nach der Devise »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen« hat den entscheidenden Vorteil, dass unser Kopf frei wird, um achtsam und präsent für den Augenblick zu sein. All die unerledigten Dinge, die uns im Kopf herumschwirren, das schlechte Gewissen, die ungeklärten Fragen sind lästige, bisweilen ganz massive Störenfriede, die unseren Blick vom Wesentlichen ablenken.
Halbherzig bei der Sache sein
Alle Menschen, selbst Folterknechte oder Mörder, möchten glücklich und zufrieden sein, möchten Liebe empfinden und für andere da sein. Dieses innerste Bedürfnis nach Zugehörigkeit eint alle Menschen. Und diesen Wunsch können wir am ehesten in die Tat umsetzen, wenn es uns gelingt, ganz in der Gegenwart zu leben, die Dinge wohlwollend und hingebungsvoll zu tun, wie es die Shaolin-Philosophie lehrt, egal, ob es das Zähneputzen ist oder das intensive Zuhören in einem Gespräch. Wir können uns jederzeit bemühen, mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein, uns dem gegenwärtigen Moment, einem Menschen, einer Tätigkeit vollkommen zu widmen. Die vier Kernleitfragen aus der nachfolgenden Übung oder die drei Fragen des Kaisers sind dabei ein ausgezeichneter Leitfaden. Wir können jeden Moment damit beginnen, genau hinzuschauen und zu spüren, was in uns vorgeht, die Bewusstheit zu trainieren und über regelmäßiges Üben zu kultivieren, und zwar so oft wie möglich, auch im Alltag.
ÜBUNG
Die vier Kernleitfragen für den Alltag
Stellen Sie sich folgende Fragen und versuchen Sie, jeweils eine Antwort darauf zu finden. Am besten wirken die ersten beiden Fragen morgens, vor dem Start in den Tag, nach den Morgenübungen. Die beiden letzten Fragen verhelfen zu einem guten, runden Tagesabschluss. Die Fragen und Antworten unterstützen uns, unseren inneren Kompass auf die für uns wichtigen Dinge des Lebens auszurichten, und schaffen so Orientierung, Klarheit und innere Stärke:
1. Frage: »Was ist heute für mich wirklich wichtig, und was kann ich weglassen?«
2. Frage: »Wie genau sorge ich heute für mich und für meine Gegenwärtigkeit, und wie genau bin ich heute gut zu anderen?«
3. Frage: »Wo war ich heute großzügig, und wo war ich dankbar?«
4. Frage: »Wie habe ich heute in einer schwierigen Situation reagiert, und wie hätte ich (besser) reagieren können (im Sinne einer wohlwollenden, liebevollen Gelassenheit mit mir und mit anderen)?
Annehmen,
was
nicht
zu
ändern
ist
Immer wieder durchleben wir in unserem Leben kleinere und größere Krisen, die uns besonders viel Energie und Achtsamkeit abverlangen. Sei es im Beruf, in der Partnerschaft oder bezüglich der Gesundheit. Wir haben Kopfschmerzen, der Sohn hat sich beim Sport verletzt und muss abgeholt werden, der Partner kommt wieder mal später aus dem Büro, und zu allem Überfluss braucht die Schwiegermutter Trost, weil der Kanarienvogel gestorben ist … und wir kriegen die Krise. Wirklich schlimm wird es, wenn wir zum Beispiel erfahren, dass wir selbst oder eine nahestehende Person eine schwere Krankheit hat, dass die Partnerin fremdgeht oder unser geliebter Job wegrationalisiert werden soll. Diese Krisen können uns regelrecht »aus der Bahn werfen«, vor allem, wenn wir sie abwehren und nicht versuchen, aus ihnen das Beste zu machen.
In jedem Fall – ob der alltägliche Wahnsinn oder schweres Leid – ist es hilfreicher, das Unglück anzunehmen, um es irgendwann auch loslassen zu können. Wenn wir uns dagegen wehren, kostet das wesentlich
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