Shaos Todeswelt
stehen.
»Du warst gut, Shao, gratuliere.«
»Ich hatte Glück und eine Helferin.«
»Das konnte ich sehen.«
»Spielst du?« Ein heißer Strom durchschoss die Chinesin, als sie die Frage stellte.
»Ja, ich versuche es.«
»Das ist gut«, sagte sie erleichtert. »Aber du kannst mich nicht in diese Welt hineingezogen haben.«
»Nein, das war Amaterasu.«
»Die ist doch hier.«
»Ja und nein. Es ist die echte gewesen. Sie hat den Kontakt mit dir aufgenommen. Es lag bestimmt daran, dass du wieder zu dem Phantom mit der Armbrust geworden bist. Du musst es gewusst haben, da du ihr helfen willst. Oder umgekehrt. Sie holte dich in diese Welt, in der es auch ihren Geist gibt, Shao. Sie dirigierte dich aus dem Hintergrund. Sicherlich hat sie auch unsere Brücke geschlagen.«
»Ja, bestimmt. Kennst du denn das Spiel, Suko? Weißt du, was wir noch alles erleben werden?«
»Nein, aber es ist gefährlich, und es kann auch sein, dass du dein Leben verlierst.«
Shao blieb ganz ruhig. »Das habe ich schon befürchtet. Es kann einfach nicht alles glattgehen.«
»Ich will es auch nicht bis zum Ende durchfechten«, formulierte Suko. »Ich hoffe auf eine Chance, dass du diese Welt vorher wieder verlassen kannst.«
»Und wie?«
»Das muss sich ergeben.«
»Soll mir das Hoffnung geben?«
Suko konnte nicht mehr antworten, denn Cheng war es leid geworden. Fr hatte den Revolver von seinem Oberschenkel angehoben und zielte jetzt auf Suko.
»Was ist denn?«
Cheng lächelte wieder. »Mach weiter. Nicht mehr und nicht weniger, mein Freund. Einfach weitermachen…«
Suko überlegte. Dabei schaute er mich an. Er stand noch immer unter dem Einfluss der Kontaktaufnahme mit Shao und schien tatsächlich zu überlegen, ob er das Spiel nun fortsetzen sollte oder nicht.
»Es kann auch dein Kollege übernehmen, wenn du tot bist!« drohte Cheng.
Ich nickte Suko zu, um ihn zu beeinflussen. Zwar wusste ich nicht, was Shao und er auf dem geistigen Weg besprochen hatten, aber ich kannte Chengs brutalen Ehrgeiz. Ihn würde es auch nicht stören, zwei Polizisten zu töten, um sein Ziel zu erreichen.
»Ja«, sagte Suko dann. »Es ist schon okay. Ich werde weitermachen, Mr. Cheng.«
»Ausgezeichnet. Du bist vernünftig. Bisher hast du deine Sache gut gemacht. Ich hoffe, dass es auch weiterhin so bleibt. Du musst nur zusehen, dass deine Freunde aus dieser Welt herauskommen. Deshalb würde ich mir an deiner Stelle eine Führungsperson aussuchen. Nimm deine virtuelle Freundin und lass sie suchen.«
»Was denn?«
»Den Fächer. Oder den Weg zu ihm. Du wirst ihn finden.« Cheng kicherte. »Ich kann dir sogar noch einen Tipp geben. Es gibt einen Weg über eine der Schluchten. Es ist der einzige, aber er ist gefährlich. Führe deine Figur, so dass sie nicht abstürzt, denn das könnte für sie tödlich enden.« Cheng lachte dabei so hässlich auf, dass ich ihm am liebsten in sein breites Gesicht geschlagen hätte. Wären wir nur zu dritt gewesen, kein Problem. Aber Chengs Leute würden eiskalt schießen, wenn ihm etwas passierte.
»Ja«, sagte Suko leise, »Es geht wohl weiter.« Seine Hand zitterte noch immer, als sie sich der Maus näherte.
Ich wusste, dass es jetzt ums Ganze ging. Alles andere war bisher nur ein Vorspiel gewesen…
***
Der Kontakt zu Suko war abgebrochen, und Shao brauchte eine Weile, um sich damit zurechtzufinden. Für die Dauer dieses Zwiegesprächs hatte sie sich sehr wohl gefühlt, nun aber war sie wieder zurück in diese virtuelle Welt gefallen, mit all ihren Unwägbarkeiten und Schrecken. Sie spürte auch genau, dass etwas passierte. Der Spieler jenseits der Grenzen beschäftigte sich mit dem Fortgang, und der Boden unter ihren Füßen blieb nicht mehr ruhig. Shao wurde mitgerissen.
Erst nach einiger Zeit merkte sie, dass sie sich drehten und vorangeschoben wurden, in die Tiefe des Raumes hinein und zu den Rändern dieses hohen Plateaus hin, wo die Welt praktisch zu Ende war und die tiefe, lichtlose Schlucht begann, die schon einen dieser Monstervögel geschluckt hatte.
Shao und Amaterasu bewegten sich zusammen mit der gesamten Umgebung. Bei Shao II war das anders. Der Spieler hatte sich sie als Heldin ausgesucht, und sie musste seinen Befehlen gehorchen, denn einen eigenen Willen hatte sie nicht.
So ging sie mit ihren etwas schlaksigen Bewegungen tiefer in die Welt hinein, die plötzlich so gut wie keine Grenzen mehr aufwies, weil sich die Perspektiven verschoben hatten.
Daran konnte Shao nicht glauben. In
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