Shaos Todeswelt
viele Opfer dort schon den Tod gefunden hatten. Ein Sprung bedeutete den Sprung in den Tod.
Zurück?
Sie wollte sich drehen, als sich ihr Pendant von seinem Fleck löste und nach rechts ging. Shao II hielt sich dabei am Rand der Schlucht, ging sehr vorsichtig und achtete darauf, keinen falschen Schritt zu machen, der sie in die Tiefe gerissen hätte.
Die echte Shao blieb noch stehen. Dass sich die andere zur Seite hin bewegte, lag an dem Spieler. Und für diese Bewegungen musste es einen Grund geben. Er ließ die Figur sicherlich nicht zum Spaß hier am Rand entlangwandern.
Die Chinesin folgte ihr sehr langsam. Auch Amaterasu blieb nicht mehr stehen. So bildeten sie eine Mini-Gruppe, die sich immer einen Schritt vom Schluchtrand entfernt aufhielt. Shao achtete auf die Beschaffenheit des Bodens. Er musste nicht unbedingt so fest bleiben, wie sie ihn erlebt hatte. Er konnte weicher oder spröder werden. Unter dem Gewicht zusammenbrechen und die Menschen in die Tiefe reißen, in der die Pfähle lauerten.
Der Rand war auch nicht gerade. Es gab kleine Vorsprünge, es gab auch Einschnitte, es lief wie ein Wellenmuster und hatte sich auch nicht dort verändert, wo Shao II plötzlich stehenblieb.
Keinen Schritt mehr ging sie. Drehte sich halb um und starrte nach unten.
Shao wusste sofort, dass sich dort etwas für sie Interessantes befinden musste.
Fast hätte sie gelacht. Sie unterdrückte es im letzten Augenblick und freute sich mehr innerlich.
Da gab es tatsächlich einen Übergang, der hier begann und an der anderen Seite endete. Ihre Freude allerdings trübte ein, als sie sich diese Brücke näher anschaute. Vertrauenerweckend sah sie nicht aus. Es war eben eine Hängebrücke über eine Schlucht.
Als Trittfläche dienten Holzplatten. Ob sie alle vorhanden waren oder ob es Lücken gab, konnte Shao nicht erkennen. Dennoch. Die Hängebrücke war ihre Chance.
Sie mussten rüber, und sie würden sich dabei vorkommen wie auf einem Schiff, das auf hoher See schwankte. Shao war auch bereit, als erste zu gehen, aber ihr Pendant hatte es eiliger.
Shao II bückte sich. Sie setzte sich auf den Rand der Schlucht und ließ die Beine durchhängen. Unter der Brücke lauerten noch immer die spitzen Pfähle.
Shao II drehte den Kopf. Der echten Shao kam es so vor, als wollte ihr Pendant mit einem langen Blick Abschied nehmen. Ja, es war der traurige Blick des Abschieds, und die Chinesin konnte nicht vermeiden, dass sie von einem Schauer befallen wurde.
Dann begann Shao II ihren Weg.
Sie rückte ein Stück vor. Der erste Kontakt mit der Hängebrücke sorgte bei ihr für ein Schaukeln. Shao vernahm auch das leise Klappern, als die hölzernen Trittstellen gegeneinander schlugen. Wie Zähne in einem alten Gebiss.
Und Shao II ging.
Sie hatte sich vorsichtig aufgerichtet und konnte sich auch an den Seiten festhalten. Zwei in Hüfthöhe und parallel zueinander verlaufende Seile sorgten für diesen Halt. Aber auch das war eine unsichere Angelegenheit.
Dennoch, Shao II musste weiter.
Die echte wartete ab. Sie und Amaterasu würden erst gehen, wenn das Pendant die andere Seite erreicht hatte. Auch jetzt trug sie noch ihre Waffe. Sie hielt sie fest wie eine Seiltänzerin die Gleichgewichtsstange. Aber so tief, dass ihre Hände dabei noch die Halteseile berührten.
Die Brücke schwankte bei jedem Schritt. Und sie wogte auch zu den verschiedenen beiden Seiten hin. Es war nicht einfach, dort den Weg zu finden und trotz der Hilfsmittel das Gleichgewicht zu halten.
Aber Shao II setzte ihren Weg fort. Sie ließ sich nicht beirren. Ihre Füße fanden immer wieder Halt auf den schmalen Planken, von denen keine durchgebrochen war.
So erreichte sie die Mitte, ohne dass etwas passiert wäre.
Die echte Shao fühlte sich etwas besser. Aber sie drückte ihrem Pendant auch weiterhin die Daumen. Erst wenn die andere Seite erreicht war, würde auch sie die Brücke in Angriff nehmen.
Plötzlich passierte es.
Ein falscher Tritt. Eine falsche Bewegung. Wie auch immer. Die Brücke konnte auch ein Loch gehabt haben. Jedenfalls kippte sie nach links weg, und dabei verdrehten sich die Seile.
Shao 11 stieß keinen Schrei aus, als sie ebenfalls fiel. Jetzt rächte es sich, dass die Halteseile nicht so hoch lagen. Sie reichten nur bis zur Hüfte eines Menschen.
Shao II bekam das Übergewicht. Vor ihr war nichts mehr, an dem sie hätte Halt finden können. Sie griff ins Leere.
Vielleicht hätte sie es mit zwei freien Händen geschafft. Nur hatte sie
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